Lebensversicherer kündigt Angebot für 30 Euro an · Finanzdienstleister soll unabhängig weiter agieren
Von Herbert Fromme, Hannover D er Schweizer Lebensversicherungskonzern Swiss Life hat ein Übernahmeangebot für alle Aktien des Hannoveraner Finanzvertriebs AWD angekündigt. Swiss Life, bis vor wenigen Jahren als Schweizerische Rentenanstalt bekannt, will Anfang 2008 30 Euro pro Aktie bieten. „Das ist eine Prämie von 36 Prozent gegenüber dem Durchschnittspreis der vergangenen drei Monate“, sagte Swiss-Life-Chef Rolf Dörig. „Wir wollen ganz klar die Mehrheit.“ Das Angebot bewertet AWD mit 1,16 Mrd. Euro.
Swiss Life hält bereits rund fünf Prozent an AWD. Weitere 20 Prozent hat AWD-Gründer und Vorstandschef Carsten Maschmeyer gemeinsam mit seinen beiden Söhnen der Gesellschaft unwiderruflich zugesagt. Auch auf die übrigen zehn Prozent, die zunächst im Besitz der Familie Maschmeyer bleiben, haben die Schweizer ein Vorkaufsrecht. Durch die Zusage des Verkaufs eines substanziellen Anteils habe er einen Bieterwettbewerb verhindern wollen, sagte Maschmeyer. Das Synergiepotenzial bezifferten er und Dörig auf 50 Mio. Euro pro Jahr, davon 25 Mio. Euro aus Kosteneinsparungen. Hannover bleibe Sitz des Unternehmens, das auch börsennotiert bleiben soll.
AWD verkauft mit selbstständigen Handelsvertretern Versicherungspolicen und andere Finanzangebote für Versicherer, Fonds und Banken. Das Unternehmen ist in zehn Ländern tätig, erzielte 2006 aber 51 Prozent des Umsatzes von 728 Mio. Euro in Deutschland. Hier hakt es im Moment: Die Zahl der Vertreter ist im dritten Quartal zurückgegangen, der Umsatz wächst – wie im gesamten Markt – nur mäßig. Maschmeyer hat weitere Baustellen: In Italien hat AWD das verlustbringende Geschäft aufgegeben, die britische Tochter verbuchte im dritten Quartal einen Verlust. Maschmeyer schloss einen Verkauf des britischen Geschäfts nicht aus.
Jetzt wolle der Konzern mithilfe von Swiss Life angreifen und zum größten Finanzdienstleister der Welt werden, sagte Maschmeyer vor der Presse. AWD behalte seine Unabhängigkeit auch bei einem Mehrheitseigner Swiss Life. Dörig betonte, Swiss Life gewinne in Deutschland und der Schweiz einen zusätzlichen Vertriebskanal, außerdem Zugang zu Märkten, in denen die Gesellschaft bisher nicht tätig ist. Dort müsse man nicht investieren, denn AWD sei schon da. „Wir wollen die Unabhängigkeit AWDs unangetastet lassen“, sagte Dörig. „Man muss zwischen rechtlicher und operativer Unabhängigkeit unterscheiden.“ Maschmeyer werde „mindestens fünf Jahre“ an der Spitze bleiben, sagte Dörig. Maschmeyer betonte, er wolle AWD nicht verlassen und unter keinen Umständen eine neue Vertriebsorganisation aufbauen.
Swiss Life ist in Deutschland über eine Niederlassung in München tätig, die nur über Makler und andere Vertriebsorganisationen verkauft und 2006 auf ein stagnierendes Prämienvolumen von 1,3 Mrd. Euro kam. Wie alle Versicherer leidet Swiss Life unter der schwierigen Marktsituation mit schwachem Neugeschäft. Der Ausbau der Vertriebskapazität steht deshalb bei vielen Anbietern ganz oben auf der Tagesordnung.
Das Züricher Mutterunternehmen hatte 2002 und 2003 mit einer schweren Krise durch den Börsencrash zu kämpfen. Inzwischen hat das Unternehmen seine Stärke wiedergefunden. Vor wenigen Wochen verkaufte Swiss Life die ungeliebte Banktochter Banca del Gottardo an den Versicherer Generali, auch das Geschäft in Belgien und den Niederlanden gab man ab. Seither sitzt Swiss Life auf mehr als 4 Mrd. Franken Bargeld. Davon finanziert Dörig den AWD-Ankauf ebenso wie eine Aktienrückkaufaktion, mit der Anteilseigner 2,5 Mrd. Franken erhalten sollen.
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Quelle: Financial Times Deutschland
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