Kein Grund zur Schadenfreude

Herbert Fromme D ie deutsche Versicherungsbranche übt sich heute in vornehmer Zurückhaltung, wenn es um die Auswirkungen der US-Kreditkrise geht. Noch vor wenigen Monaten war die Stimmung anders: Da machten Manager keinen Hehl aus ihrer Schadenfreude über die Banken und sahen die Assekuranz mit ihrer konservativen Anlagepolitik als Gewinner der Krise.

Jetzt dämmert es der Branche, dass die Erschütterungen auch bei ihr deutliche Spuren hinterlassen werden. Bisher sei man nicht unmittelbar betroffen, sagte Bernhard Schareck, als Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft ihr Cheflobbyist. Aber die Branche werde die Krise genauestens beobachten.

Die Vorsicht ist angebracht. Zwar haben die Versicherer bisher nur geringen Abschreibungsbedarf aus direkten Engagements mit Subprime-Hintergrund. Aber die Krise frisst sich gerade in andere, bisher weniger betroffene Anlagekategorien. Außerdem leiden die Aktienmärkte und damit auch die entsprechenden Kapitalanlagen der Versicherer – die deutlich mehr als 70 Mrd. Euro an den Börsen angelegt haben dürften. Gesellschaften mit engen Beziehungen zu Banken spüren die Krise ohnehin viel direkter.

Die Marktverwerfungen werden sich mit Sicherheit auch bei den Schäden wiederfinden. Verärgerte Anleger stellen schon heute Ansprüche gegen Manager, Aufsichtsräte und Verkäufer von Wertpapieren. Ein Teil davon ist über Haftpflichtdeckungen abgesichert, darunter auch die Managerhaftpflicht (D&O). Selbst wenn die Versicherer am Ende den Schaden nicht zahlen müssen, kommen doch hohe Kosten für die Abwehr der Ansprüche auf sie zu.

Schließlich dürfte eine mehrere Monate anhaltende Krise das Verkaufsgeschäft der Lebensversicherer empfindlich treffen. Die Erfahrung zeigt, dass die Kunden in unsicheren Zeiten ihr Geld flüssig halten und nicht langfristig binden wollen. Alles in allem – die Branche hat überhaupt keinen Grund zur Schadenfreude.

Herbert Fromme ist Versicherungskorrespondent der FTD.

E-Mail: fromme.herbert@ftd.de

Quelle: Financial Times Deutschland

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