Martin Sullivan, Chef des AIG-Konzerns, muss sich der Finanzkrise und seines Vorgängers erwehren
Es wird eng für Martin Sullivan. Der 54-jährige Chef des Versicherungskonzerns AIG muss sich morgen vor der Hauptversammlung verantworten. Heftige Attacken gegen seine Politik sind sicher – unter anderem von Vorgänger Maurice Greenberg, der Sullivans Karriere beim größten amerikanischen Versicherer einst gefördert hatte.
Mehrere Analysten fordern den Rücktritt des englischstämmigen Managers, der AIG seit 2005 führt. Ende vergangener Woche hatte Sullivan erneut einen Quartalsverlust infolge des Subprime-Engagements eingestanden, diesmal in Höhe von 7,8 Mrd. $. Schon in den drei Monaten zuvor waren es 5,3 Mrd. $ gewesen. Kein anderer Versicherer hat im Zuge der Kreditkrise so viel Geld verloren. Gleichzeitig bittet Sullivan die Investoren um frisches Kapital. Die gewaltige Summe von 12,5 Mrd. $ brauche man, um künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein – eine verklausulierte Ankündigung, dass AIG noch weitere Einschläge befürchtet.
Dabei ist Sullivan eigentlich noch damit beschäftigt, die Trümmer der letzten Krise wegzuräumen. 2005 hatte der damalige Konzernchef Greenberg nach 38 Jahren an der Konzernspitze gehen müssen. Eliot Spitzer, seinerzeit New Yorker Generalstaatsanwalt und inzwischen selbst über einen Skandal gestolpert, warf AIG und Greenberg die Schönung von Bilanzen durch einen dubiosen Deal mit Warren Buffetts Rückversicherer Gen Re vor. Greenberg, der für AIG arbeitet, seit er 17 ist, folgte seinem früheren Mentor auf dem Chefsessel. Zuvor war er jahrelang als Chief Operating Officer für das Tagesgeschäft zuständig gewesen.
Der Fall Greenberg war mit dem Rücktritt nicht ausgestanden. Vielmehr streiten AIG und damit Sullivan mittlerweile vor Gericht gegen Greenberg – zum einen will der Konzern Schadensersatz von seinem Ex-Chef. Zum anderen bezweifelt AIG, dass Greenberg legitimiert ist, eine Stiftung zu kontrollieren, die Pensionsgelder der AIG-Manager verwaltet und große AIG-Anteile hält. Greenberg gebietet über mehr als zwölf Prozent an AIG – und hat das Unternehmen seinerseits wegen der Subprime-Verluste verklagt. Das Management habe Informationen zurückgehalten, so der Vorwurf.
Eigentlich hätte Sullivan angesichts der verqueren Situation kaum eine Chance, an der Spitze des Konzerns zu überleben. Aber man sollte den Mann nicht unterschätzen. Er kennt AIG und die großen Aktionäre wie kein anderer. Zudem wirkt er trotz der momentanen Belastung freundlich, hat ein hohes Ansehen in der Belegschaft und in der Branche.
Der Arbeitersohn Sullivan stammt aus London und ging mit 16 zum Versicherer Sun Life. Ein Jahr später wechselte er als Buchhaltungsassistent zum britischen AIG-Ableger. Dort stieg der junge Mann schnell auf, bevor ihn sein jetziger Widersacher Greenberg 1996 nach New York holte.Herbert Fromme
Quelle: Financial Times Deutschland
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