Finanzvertrieb nutzt Krise für Marktbereinigung
Von Herbert Fromme, Köln Der Hannoveraner Finanzvertrieb AWD, der mehrheitlich dem Schweizer Versicherer Swiss Life gehört, übernimmt nach FTD-Informationen den Konkurrenten Proventus in Bremen. AWD habe in dieser Woche bereits vom Gründer Martin Thomas die Mehrheit an einer Holding erworben, die ihrerseits 50,4 Prozent an Proventus besitzt, hieß es in Versicherungskreisen. AWD bewerte den zehntgrößten deutschen Finanzvertrieb mit rund 50 Mio. Euro. Den Minderheitsaktionär Axa will AWD-Chef Carsten Maschmeyer ebenfalls herauskaufen. AWD, Proventus und Axa wollten nicht Stellung nehmen.
Außerdem plane Maschmeyer, im laufenden Jahr mehr als 25 Mio. Euro für die gezielte Abwerbung von Vertretern anderer Vertriebe auszugeben, hieß es in den Kreisen. Er wolle die Unruhe im Markt zur Konsolidierung nutzen.
AWD verkauft mit freien Handelsvertretern vor allem Lebens- und Krankenversicherungen sowie Investmentverträge. Neue rechtliche Regelungen, vor allem die Vermittlerrichtlinie und das Versicherungsvertragsgesetz sowie die Gesundheitsreform, erhöhen den Aufwand für die Vertriebsorganisationen enorm. Gleichzeitig läuft das Neugeschäft schlecht, auch wegen der Finanzkrise. Kleinere Organisationen wie Proventus suchen daher Anlehnung und unzufriedene Vertreter eine neue Heimat.
Maschmeyer glaubt, dass AWD wegen seines funktionierenden Backoffices und der Beratungssoftware attraktiv ist. Außerdem muss er mit Swiss Life als Mehrheitsaktionär nicht mehr der Börse hinterher hecheln und kann deshalb Geld für die Konsolidierung in die Hand nehmen, auch wenn dies das Ergebnis negativ beeinflusst. Allerdings hat Maschmeyer das Problem, dass die Zugehörigkeit zu Swiss Life Zweifel an der Unabhängigkeit streut, einem der wichtigsten AWD-Werbeargumente. Konkurrenten wie die Postbank oder die Neugründung Formaxx nutzen dieses Argument gegen AWD.
Bittere Pille für Aktionär Axa
Der bisherige Proventus-Mehrheitseigner Thomas will auch seine restlichen Anteile an AWD abgeben. Für den Minderheitsaktionär Axa, der 49,6 Prozent hält, ist die indirekte Übernahme durch Swiss Life bitter. Proventus verkauft in der Schaden- und Unfallversicherung fast nur Axa-Policen, in der Lebens- und Krankenversicherung entfallen mehr als die Hälfte der Proventus-Vermittlung auf die Axa. Möglicherweise muss sich Maschmeyer auf eine Fortdauer der engen Kooperation für eine bestimmte Zeit einlassen, um die Anteile kaufen zu können.
Proventus ist mit 78 Geschäftsstellen vor allem in Nord- und Ostdeutschland aktiv. Das Unternehmen hat rund 500 Vollzeit-Vertreter und darüber hinaus nebenberufliche Mitarbeiter. Zahlen werden nicht veröffentlicht. Nach Marktschätzungen erzielt Proventus rund 35 Mio. Euro Provisionsumsatz. Die AWD-Gruppe, zu der auch Tecis und Horbach gehören, kommt nach Übernahme von Proventus auf 4500 Vertreter in Deutschland, mit Auslandstöchtern auf 6700.
Die Übernahme setzt zudem den Wieslocher Vertrieb MLP unter Druck, der es sehr schwer hat, echtes Wachstum zu zeigen. Neugründungen wie Formaxx und Mayflower nehmen MLP gute Vertreter ab. Hinter Mayflower stehen der Ex-MLP-Chef Bernhard Termühlen und der frühere Frankfurter MLP-Bürochef Thomas Scholl.
Quelle: Financial Times Deutschland
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