Versicherer müssen künftig vor Vertragsabschluss die Kosten ausweisen – aber nur die kalkulierten, nicht die tatsächlichen
VON Anja Krüger und Herbert Fromme Selbst für Fachleute ist es kaum möglich, den Wirrwarr von Tarifen, Bedingungen und Kosten von Verträgen für die Altersvorsorge zu durchschauen. Laien haben erst recht keine Chance. Das wird sich wohl auch mit der gerade in Kraft getretenen Informationspflichten-Verordnung für Versicherer nicht ändern.
Ab sofort müssen Versicherer vor dem Verkauf von Lebens-, Berufsunfähigkeits- und Krankenpolicen die Abschlusskosten in Euro und Cent ausweisen. Das sind aber längst nicht alle anfallenden Gebühren. Hinzu kommen die Verwaltungskosten. Auch sie müssen die Versicherer angeben, allerdings nur als abstrakte Prozentzahl. Die meisten Anbieter weisen als Abschlusskosten vier bis fünf Prozent der gesamten Beiträge aus, die die Kunden entrichten. Bei einer monatlichen Prämie von 200 Euro sind das bei vier Prozent und einer Laufzeit von 30 Jahren 2880 Euro. Hinzu kommt die jährliche Verwaltungsgebühr, die bei einigen Hundert Euro liegen kann. Das Problem: Die Versicherer zeigen nicht die tatsächlichen, sondern die kalkulierten Kosten. Und die weichen vom tatsächlichen Vertriebsaufwand meistens ab.
Der einzelne Vertreter dürfte in der Regel deutlich weniger als die 2880 Euro erhalten. Wie viel er genau bekommt, weiß er bei Vertragsabschluss oft gar nicht, denn viele Versicherer staffeln die Provision nach der Zahl der Abschlüsse. Auch die Kosten für Angestellte in der Außendienstbetreuung, für die Risikoprüfung und für die Werbung fallen unter die Abschlussgebühren.
Große Vertriebsorganisationen wie AWD, MLP, OVB oder DVAG geben sich hingegen selten mit einer Gesamtprovision von weniger als sechs bis sieben Prozent zufrieden. Ein Kunde, der über 30 Jahre hinweg monatlich 200Euro spart, zahlt somit 4320 Euro bis 5040 Euro Vermittlungsgebühren. Einen Teil der Provision erhalten die Vermittler als Verwaltungskosten- oder IT-Zuschuss oder Ähnliches.
Die Versicherer sehen in der Offenlegung in Euro und Cent einen Wettbewerbsnachteil, weil Anbieter von Fonds und Sparplänen keine exakten Angaben machen müssen. Auch Verbraucherschützer kritisieren dieses Ungleichgewicht. „Kunden können Versicherungen nicht mit anderen Anlageformen wie Fonds vergleichen“, sagt Lilo Blunck vom Bund der Versicherten. Verbraucherschützer fordern, dass Anbieter vor Vertragsabschluss zeigen müssen, welcher Anteil der Prämie in den Vermögensaufbau fließt und wie viel sie für die Kosten abziehen.
Wirklich durchschaubar sind die Gebühren für Verbraucher also nach wie vor nicht. Hier setzt eine Geschäftsidee des Berliner Instituts für Transparenz in der Altersvorsorge an. Das Institut hat ein Gütesiegel entwickelt, mit dem es gut durchschaubare Verträge auszeichnet. Die Anbieter selbst geben die Prüfung in Auftrag und entscheiden, ob die Ergebnisse veröffentlicht werden. Erste Auftraggeber waren die Deutsche-Bank-Tochter DWS Investments und der Versicherer Standard Life.
Der DWS-Riester-Rente Premium bescheinigte das Institut „herausragende Transparenz“, sämtlichen Altersvorsorgeverträgen von Standard Life „ausgezeichnete Transparenz“. Bei Standard Life bemängelten die Prüfer etwa, dass in den Werbebroschüren die Hausnummer 1 A abgebildet ist. „Das suggeriert Marktführerschaft“, sagt Institutsleiter Mark Ortmann. Marktführer ist das Unternehmen aber nicht.
Die Noten sagen jedoch nichts darüber aus, wie leistungsfähig ein Vertrag ist. „Es kann durchaus sein, dass ein Produkt supertransparent ist, aber nicht günstig“, räumt Ortmann ein. Verbraucherschützer betrachten das Siegel aus diesem Grund mit großer Skepsis. „Der normale Bürger versteht nicht, dass hier nicht die Bewertung der Kosten, sondern nur die Darstellung gemeint ist“, sagt Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen. Er fürchtet, dass Kunden Darstellung und Bewertung verwechseln. Gerade die DWS Riester-Rente Premium ist Verbraucherschützern ein Dorn im Auge, weil in den ersten fünf Jahren der Vertragslaufzeit Gebühren für den Vermittler fällig werden. Andere Anbieter wie Marktführer Union Investment verteilen die Kosten dagegen über die gesamte Laufzeit.
Die Kritik an dem Siegel ficht Ortmann nicht an: „Ich traue dem Verbraucher zu, dass er selbst entscheiden kann, wenn ihm alle Informationen bekannt sind.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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