Versicherungskonzern wollte Verbindungen zu Journalisten ermitteln ·Telefondaten und Mails ausgewertet
VON Herbert Fromme, Köln,
und Jens Brambusch , Hamburg
D er Kölner Versicherungskonzern Gerling hat Telefon- und E-Mail-Zieldaten eigener Mitarbeiter ausspioniert. Ziel war es, in den Jahren 2002 bis 2004 eine undichte Stelle im Unternehmen zu finden. Interne Unterlagen aus dem Konzern waren zuvor an die Presse gelangt. Entsprechende Informationen der FTD aus Versicherungskreisen bestätigte der Talanx-Konzern, der Gerling 2006 übernommen hatte. Talanx selbst ist von diesen Vorfällen nicht betroffen.
Bei Gerling habe es mehrere solcher Aktionen gegeben, hieß es in den Kreisen. Ein Talanx-Sprecher sagte, das Unternehmen habe nach der Anfrage der FTD einen Fall aus 2004 gefunden. Talanx geht davon aus, dass legal vorgegangen wurde. „Wir können aber nicht ausschließen, dass es mehrere Fälle gegeben hat.“
Die Vorfälle reihen sich ein in mehrere Skandale um deutsche Unternehmen, die Mitarbeiter, Aufsichtsräte und Journalisten bespitzelt haben. Die Telekom hatte 2005 und 2006 in großem Stil Verbindungsdaten ausgewertet, um Kontakte zwischen Mitarbeitern und Aufsichtsräten auf der einen und Journalisten auf der anderen Seite aufzudecken. Lufthansa hatte Anfang 2001 Passagierdaten missbräuchlich genutzt, um Verbindungen zwischen einem Aufsichtsrat und dem damaligen FTD-Chefreporter aufzuspüren.
Gerling, damals mehrheitlich in Familienbesitz und auf die Versicherung großer Industrierisiken sowie die Rückversicherung spezialisiert, war 2002 in eine existenzbedrohende Krise geraten. Die Deutsche Bank, mit 34,5 Prozent Minderheitseigner, zwang Rolf Gerling 2002, den Konzern zum Verkauf zu stellen. Nach vier Jahren übernahm der Hannoveraner Rivale Talanx/HDI die Kölner.
Damals gab es zahlreiche Presseberichte, die auch auf Quellen innerhalb des Gerling-Konzerns beruhten. Deshalb ordnete die Konzernleitung offenbar Rechercheaktionen an. Im konkreten Fall ging es nach FTD-Informationen um einen Bericht im Magazin „Capital“, der im Februar 2004 erschien und sich mit den gekürzten Betriebsrenten bei Gerling beschäftigte. Talanx wollte den Namen nicht bestätigen. Es seien aber in einem Magazin streng vertrauliche Betriebsinterna erschienen. „Deshalb war anzunehmen, dass eine Weitergabe durch Gerling-Mitarbeiter erfolgt war“, teilte Talanx mit.
Weiter heißt es: „Mit dem Ziel, eine erneute Weitergabe streng vertraulicher Betriebsinterna zu unterbinden, ließ die Konzernrevision der Gerling Konzern Beteiligungs-AG eine Überprüfung des dienstlichen Telefon- und E-Mail-Verkehrs für den Zeitraum vom 26. Januar 2004 bis zum 4. Februar 2004 durchführen.“ Dabei sei der Telefon- und E-Mail-Verkehr nach Zieltelefonnummern und E-Mail-Adressen durchsucht worden. Inhalte seien nicht betroffen gewesen. Konzernchef war damals Björn Jansli.
Talanx hat den Vorgang von der Anwaltskanzlei Hengeler Müller untersuchen lassen. Deren Prüfung habe ergeben, dass der Zugriff auf die Verbindungsdaten nach Paragraf 100 Absatz 3 des Telekommunikationsgesetzes gerechtfertigt war. Dort ist festgelegt, dass ein Diensteanbieter bei Anhaltspunkten für rechtswidrige Nutzung der Netze Bestandsdaten erheben und verwenden darf.
Die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen sei eine solche rechtswidrige Nutzung, erklärte Talanx. Rechtliche Schritte gegen handelnde Personen will der Konzern nicht einleiten. Nach Angaben aus Unternehmenskreisen war die Aktion aus Sicht von Gerling nicht erfolgreich. Den betroffenen Mitarbeitern hat Talanx bisher nicht mitgeteilt, dass Telefon- und E-Mail-Daten untersucht wurden.
Telekom, Lufthansa und Gerling sind wahrscheinlich keine Einzelfälle: „In den meisten Unternehmen stehen das mittlere und das Topmanagement unter Beobachtung“, sagte Michael Alkalay, Studienleiter für Wirtschaftskriminalistik an der Hochschule Luzern. „Insiderinfos sind pures Gold.“ Daher sei es blauäugig zu glauben, dass ein Unternehmen seine Wissensträger nicht überprüfe.
Leitartikel 25
Quelle: Financial Times Deutschland
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