Hohe Preise für Schiffsdiesel und Druck der Umweltlobby zwingen Reeder zumUmdenken. Erneuerbare Energien rücken in ihr Blickfeld
Steigende Ölpreise verändern die Schifffahrt und kommen der Umwelt zugute. Zunehmend lassen Reeder ihre Schiffe langsamer fahren, um Treibstoff zu sparen. Muscheln und Algen, die den Reibungswiderstand erhöhen, werden vom Rumpf entfernt, Schiffskörper auf Stromlinienförmigkeit getrimmt, die Effizienz von Motoren verbessert. Trotzdem: Der Spielraum für weitere Treibstoffeinsparungen wird bei konventionellen Schiffen immer kleiner.
Neue Entwicklungen, wie sie die Beluga Skysails bei ihrer Jungfernfahrt zu Beginn des Jahrs einsetzte, versprechen größere Einsparungen. Der Frachter der Bremer Reederei Beluga fuhr als erster mithilfe einer neuen Antriebstechnik, die das Hamburger Unternehmen Skysails entwickelt, über hohe See. Der 160 Quadratmeter große Zugdrachen konnte, so Skysails-Gründer Stephan Wrage, bereits bei mäßigem Wind bis zu 20 Prozent der Maschinenleistung ersetzen. Das Ziel von Skysails: In den kommenden zwei Jahren soll ein 600 Quadratmeter großer Lenkdrachen auf Schiffen eingesetzt werden. Je nach Route und Wetterbedingungen könnten damit zwischen 10 und 35 Prozent Kraftstoff eingespart werden. Noch bis Anfang 2009 finden Tests auf der Beluga Skysails und der Michael A. der Reederei Wessels statt. Danach plant Skysails die Serienproduktion des Drachens. Die Kosten für die Segel amortisieren sich laut Wrage je nach Schiffstyp innerhalb von drei bis fünf Jahren. Die Branche beobachtet das Geschehen gespannt, bleibt jedoch zurückhaltend. Bislang sind nur drei Folgeaufträge von der Wessels-Reederei bei Skysails eingegangen.
Wirklich neu ist der Einsatz der Windkraft auf modernen Schiffen nicht: Im Februar 1925 fährt die Buckau weder unter Segel noch unter Dampf, sondern wird von zwei masthohen rotierenden Säulen angetrieben. Der von Anton Flettner konzipierte „Flettner-Rotor“ nutzt den Magnus-Effekt. Der rotierende Zylinder, den der Wind umströmt, erzeugt Antrieb. Über die Rotorendrehzahl lassen sich Größe und Richtung der Auftriebskraft so an Kurs und Windrichtung anpassen, dass Vortrieb entsteht. Damals hielten Beobachter die Erfindung für die Zukunft, doch dann sank der Ölpreis und der Antrieb wurde uninteressant.
83 Jahre später erlebt der Flettner-Rotor eine Renaissance. Am 2. August 2008 lief das Frachtschiff „E-Ship 1“ bei der Lindenau-Werft in Kiel vom Stapel. Auftraggeber ist der Auricher Windenergieanlagen-Hersteller Enercon. Auf Deck des 130 Meter langen Schiffs stehen vier 25 Meter hohe Flettner-Rotoren. Hauptantrieb bleiben zwei konventionelle Dieselmotoren. Das Schiff soll für Enercon Windkraftanlagen über die Weltmeere fahren. „Wir werden den Treibstoffverbrauch um einen wesentlichen Teil reduzieren“, sagt Enercon-Sprecher Volker Uphoff. Die ursprüngliche Ankündigung, dass die Technik 30 bis 50 Prozent des sonst benötigten Schiffsdiesels einspare, wiederholt Enercon allerdings zurzeit nicht.
Neben der Windenergie rückt die Brennstoffzelle in den Fokus. Ende August soll das erste kleine Fahrgastschiff mit Brennstoffzelle getauft werden. Das Zero Emission Ship, kurz Zemship, fährt mit reinem Wasserstoff – ohne CO2- und Schwefeldioxidausstoß. Das System wird zwei Jahre auf der Alster und im Hamburger Hafenbereich getestet. „In den kommenden Jahren wird sich die Brennstoffzelle als Energiewandler im kommerziellen Sektor etablieren“, sagt Gerd Würsig, Brennstoffzellenexperte bei der Schiffsklassifikationsgesellschaft Germanischer Lloyd. „Wasserstoffbetriebene Brennstoffzellensysteme sind mit ihrem hohen Wirkungsgrad und dem von schädlichen Abgasen freien Betrieb in Anwendungen wie dem Alsterdampfer eine Alternative zu herkömmlichen Antrieben.“ Würsig unterstreicht aber auch, dass die Anlagentechnik des Alsterdampfers nicht als Prototyp für die Hochseeschifffahrt gesehen werden kann. Ein großes Containerschiff braucht bis zu 70 Megawatt Antriebsleistung. Mit den 100 Kilowatt des Alsterdampfers kommen Schiffe auch im Hilfsbetrieb nicht weit. Das Hindernis ist aber nicht so sehr die Leistung einer solchen Anlage, sondern die Speicherung des Treibstoffs. Wasserstoff hat eine sehr geringe Dichte. Für die Lagerung sind riesige Tanks nötig.
Interessant für die Handelsflotte sind die Hochtemperatur-Brennstoffzellen-Typen MCFC (Molten Carbonate Fuel Cell) und SOFC (Solid Oxide Fuel Cell), die Erdgas direkt als Brenngas einsetzen können. Ganz emissionsfrei arbeiten sie nicht, im Vergleich zum Dieselmotor sind die Abgasemissionen aber gering.
Nora Luttmer
Quelle: Financial Times Deutschland
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