Mit dem Ende der Bieterfrist muss TUI-Chef Michael Frenzel entscheiden, an wen er die Hamburger Schifffahrtstochter Hapag-Lloyd verkauft. Was er auch tut:Harsche Kritik ist ihm jetzt schon gewiss
Mark Krümpel
Gelegentlich kokettiert SPD-Mitglied Michael Frenzel mit seiner politischen Vergangenheit. Einst war er Jungsozialist, später Kommunalpolitiker in Duisburg. Ein Mann des Volkes. Verständnis für die Arbeiter habe er immer noch, sagt Frenzel, der als Chef des Reise- und Schifffahrtskonzerns TUI heute aufseiten des Kapitals steht.
Was seine Arbeitnehmer von ihm erwarten, konnte er vor wenigen Tagen in Hamburg beobachten: Dort demonstrierten Hunderte Beschäftigte von Hapag-Lloyd für einen Verkauf der Traditionsreederei an ein Konsortium aus Hamburger Geschäftsleuten um den Speditionsunternehmer Klaus-Michael Kühne – und gegen den zweiten Bieter im Rennen, den Konkurrenten Neptune Orient Lines (NOL) aus Singapur.
Am heutigen Freitag um Mitternacht endet die Angebotsfrist für den Verkauf der Schifffahrtstochter, von der sich Frenzel auf Druck seiner Großaktionäre trennen muss, dem norwegischen Reeder John Fredriksen und dem russischen Oligarchen Alexej Mordaschow. Doch egal wie Frenzel sich auch entscheidet: Am Ende wird er erneut geprügelt werden. Und er weiß es.
Am Mittwoch jubelten die Hapag-Beschäftigten dem Transportunternehmer Kühne zu, als sei er der Messias. Hinter ihm stehen neben dem Hamburger Senat große Namen der Hamburger Geschäftswelt: etwa die Privatbank M. M. Warburg und die HSH Nordbank. Auch der Versicherungskonzern Signal Iduna ist nach FTD-Informationen mit einem dreistelligen Millionenbetrag dabei. Ihr Ziel: Das Traditionsunternehmen soll in Hamburg bleiben, die Abwanderung von Arbeitsplätzen und Know-how nach Asien verhindert werden. Sollte NOL den Zuschlag erhalten, ist der öffentliche Aufschrei gewiss: Frenzel, der Ausverkäufer, der Abwickler eines Stücks Industriegeschichte.
Das Problem ist nur: Hinter NOL steht der Staatsfonds von Singapur, Temasek. Und kaum ein Beobachter zweifelt daran, dass der reiche Stadtstaat mehr für Hapag-Lloyd auf den Tisch legen kann als die Hamburger Lokalpatrioten. Verkauft der TUI-Chef aus Sicht seiner Aktionäre die Reederei zu billig an das heimische Konsortium, ist ihm neuer Ärger mit seinen Großaktionären gewiss. Schlimmer wäre nur noch, wenn Frenzel den Verkauf wegen zu niedriger Gebote ganz abblasen müsste. Dann fehlt das Geld für die geplanten Zukäufe in der Touristik. Und die Strategiedebatte geht von vorne los.
Dabei ist der Zeitpunkt für einen Verkauf gerade jetzt äußerst ungünstig. Beim zu erwartenden Rückgang der Weltkonjunktur schrumpft auch der globale Handel, die Frachtraten im Containergeschäft fallen. „Da braut sich einiges zusammen“, argwöhnt ein Reeder. „Auf einigen Strecken werden wir wohl Verluste einfahren.“
Frenzel kennt die Risiken. Deshalb hat er es stets vermieden, sich festzulegen, wie viel er durch den Verkauf der weltweit fünftgrößten Containerreederei einnehmen will. Konzerninsider berichten, „dass es ursprünglich 4 Mrd. Euro plus x sein sollten“. Nun könnte am Ende nur noch eine drei vor dem Komma stehen, sagt ein Aufsichtsrat. „Wir wollen Hapag-Lloyd nicht verschenken, aber bei einer Absage geht das ganze Theater wieder von vorne los. Schließlich wollen wir uns ja von der Containerschifffahrt trennen, um uns auf die Touristik zu konzentrieren.“ Ein Preis von mehr 3,5 Mrd. Euro wird im Konzern daher bereits als durchaus akzeptabel gehandelt.
Selbst bei Hapag-Lloyd sehnt man sich eine Trennung vom TUI-Konzern herbei. Ginge der Konzern an die Hamburger, könne sich die Reederei endlich selbstständig entwickeln, heißt es am Ballindamm, dem Sitz der Hapag-Lloyd-Zentrale. Kühne kündigt bereits an, die Reederei durch Fusionen und Partnerschaften ausbauen zu wollen. Auch ein Börsengang sei denkbar.
Dass es Kühne gelang, die HSH Nordbank, die mehr als 100 Mio. Euro einbringen will, und Signal Iduna zu gewinnen, habe die Chancen des Konsortiums deutlich verbessert, sagen Beobachter. Zwar könnte NOL den Rivalen Hapag-Lloyd gut für die eigene Wachstumsstrategie gebrauchen. Mit der Hamburger Reederei würde NOL zur weltweiten Nummer drei aufsteigen. Aber NOL könnte am Ende aufgrund der wirtschaftlichen Risiken nicht bereit sein, dafür einen unvernünftig hohen Preis zu bezahlen. Anders als die Kühne-Truppe könnte das Unternehmen aus Singapur aber durch die Fusion Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe erzielen – und entsprechend mehr bieten.
Frenzel beteuert stets, ganz im Sinne der Aktionäre den höchstmöglichen Erlös erzielen zu wollen. Aber der TUI-Chef hat schon einmal versucht, Hapag-Lloyd in Deutschland zu halten. Damals hieß der mögliche Partner Deutsche Bahn. Mitarbeit: Herbert Fromme
Quelle: Financial Times Deutschland
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