US-Versicherer wird ohne Befragung der Eigner verstaatlicht
Von Herbert Fromme, Köln
Der angeschlagene US-Versicherungskonzern American International Group (AIG) will die eigentlich nötige Zustimmung einer Hauptversammlung zu der rettenden Vereinbarung mit der US-Notenbank Fed nicht einholen. Die dadurch eintretende Verzögerung der Maßnahmen würde „ernsthaft die finanzielle Überlebensfähigkeit“ gefährden, rechtfertigte AIG den Schritt. Die New Yorker Börsenaufsicht NYSE genehmigte die Entscheidung. AIG gehört seit der vergangenen Woche zu 79,9 Prozent der US-Notenbank – im Gegenzug für eine Kreditlinie von 85 Mrd. $, ohne die AIG insolvent wäre.
Damit haben oppositionelle Aktionäre um den Ex-Chef Maurice Greenberg weniger Chancen, den Deal zu kippen. Greenberg versucht, ausreichend Geldgeber für eine private Lösung zu finden, um die Regierung aus AIG herauszuhalten. Der 83-Jährige verkaufte in der vergangenen Woche 40 Millionen Aktien. Damit liegt Greenberg jetzt unter zehn Prozent und kann leichter sowohl für AIG-Teile bieten als auch Unterstützung für eine Rettungsaktion suchen. Aktionäre mit zehn Prozent oder mehr müssen alle Schritte der Versicherungsaufsicht melden.
AIG versucht indessen, die Abwanderung von wichtigem Personal zu verhindern. Rund 130 Mitarbeiter erhalten Boni, die zum Teil im Dezember 2008, zum Teil in zwölf Monaten gezahlt werden sollen. So erhält AIG-Retirement-Chef Jay Wintrob 3 Mio. $ fürs Bleiben.
In Essen warnte der Verband „Die Führungskräfte“ vor möglichen Problemen mit Managerhaftpflichtpolicen, die Unternehmen bei AIG abgeschlossen haben. Der Verband hat rund 18 000 Mitglieder und ist vor allem mit Rechtshilfe und als Lobby aktiv.
Mit der Managerhaftpflicht (Directors‘ & Officers‘ Liability, D&O) sichern Firmen ihr leitendes Personal für den Fall ab, dass durch Fehler Schadensersatzansprüche entstehen. US-Behörden seien robust gegenüber Managern in Ermittlungsverfahren, sagte Führungskräfte-Hauptgeschäftsführer Ulrich Goldschmidt. Es wäre möglich, dass durch das Zusammenwirken von US-Ermittlungsbehörden, der Börsenaufsicht SEC und dem staatlich gesteuerten D&O-Versicherer AIG auf deutsche Führungskräfte Druck ausgeübt wird. Dabei könne AIG durch die Weigerung, einen Schaden zu zahlen, Aussagen und Geständnisse erzwingen. Die Gefahr sieht Goldschmidt vor allem bei Unternehmen mit US-Börsennotierung. „Die Police gibt eine trügerische Sicherheit“, sagte er. Der Verband fordert, dass sich der Staat schnell wieder bei AIG zurückzieht. Bis dahin müsse – möglicherweise durch eine neutrale Aufsicht – gewährleistet sein, dass jeder staatliche Einfluss auf die Schadensabwicklung ausgeschlossen ist, sagte Goldschmidt.
Quelle: Financial Times Deutschland
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