US-Regierung muss AIG erneut retten

Washington stellt nun 150 Mrd. Dollar bereit · Angeschlagener Versichererverliert 24,5 Mrd. Dollar im Quartal

VON Sebastian Bräuer, New York,

und Herbert Fromme, Köln

Der größte US-Versicherungskonzern American International Group (AIG) wird von der US-Regierung mit einem neuen, fast 150 Mrd. $ schweren Rettungsplan aufgefangen. Washington beteiligt sich mit 40 Mrd. $ am Aktienkapital der AIG und zahlt bis zu 52,5 Mrd. $ für Hypotheken und andere Wertpapiere, die AIG entweder selbst hält oder garantiert hat.

Die 40 Mrd. $ stammen aus dem 700 Mrd. $ schweren Rettungsfonds für die Finanzbranche. Zudem kürzt die Notenbank ein im September gewährtes Darlehen über 85 Mrd. $ an AIG auf 60 Mrd. $, erleichtert aber die Bedingungen. So zahlt AIG statt 8,5 Prozent Zinsen über dem Standardsatz Libor künftig nur 3 Prozent darüber. Das neue Darlehen läuft auch über fünf statt über zwei Jahre.

Mit dem Schritt gestand das US-Finanzministerium ein, dass sein erstes Rettungspaket bislang weitgehend wirkungslos verpufft ist. Das Ministerium und die Notenbank Federal Reserve gaben die Maßnahme gestern zeitgleich mit der Veröffentlichung des AIG-Ergebnisses bekannt. Die Gesellschaft meldete einen Rekordverlust von 24,5 Mrd. $ für das Quartal.

AIG hatte über eine Tochterfirma, die von den operativen Versicherern unabhängig agierte, Kreditderivate von mehr als 400 Mrd. $ garantiert. Im September geriet der Assekuranzriese ins Trudeln, als die so abgesicherten Banken Sicherheitsleistungen in Milliardenhöhe verlangen konnten, nachdem das AIG-Rating deutlich abgesackt war.

Weil der Ausfall der AIG-Garantien das gesamte Bankensystem weiter destabilisiert hätte, gewährte die US-Regierung den Kredit über 85 Mrd. $, der bald danach um 38 Mrd. $ aufgestockt wurde. Dazu kamen rund 20 Mrd. $ aus anderen Hilfsprogrammen der Regierung. Auch nach dem neuen Rettungsschritt bleibt die Regierung mit 80 Prozent größter Anteilseigner bei AIG. Die AIG-Aktie brach binnen einem Jahr um 95 Prozent auf zuletzte 2,40 $ ein.

Der auf Druck Washingtons im September eingesetzte AIG-Chef Edward Liddy begrüßte das neue Paket. „Das reflektiert die neue Sichtweise von Notenbank und Finanzministerium zur globalen Finanzkrise“, sagte Liddy dem Fernsehsender CNBC. Liddy äußerte sich optimistisch zu den geplanten Verkäufen von Teilen des Konzerns. „Wir werden faire Preise bekommen. Es geht darum, die richtigen Käufer zu finden.“

AIG musste im Gegenzug für die Rettungsaktion einige Kröten schlucken. Dazu gehören Einschränkungen bei Vorstandsgehältern und ein Einfrieren der Boni für rund 70 Führungskräfte weltweit.

Bill Bergman, Analyst bei der renommierten Agentur Morningstar, lobte die Aktion. „Mit dem erweiterten Staatseingriff hat AIG bessere Chancen“, sagte er. Für die Aktionäre sei das eine – wenn auch marginale – Verbesserung. Eine schnelle Gesundung sieht er jedoch nicht: „Bis AIG wieder stabil ist, werden Jahre vergehen.“ Branchenexperte Andrew Barile kritisierte, dass die Regierung erneut einspringen muss und das Ausmaß der Schwierigkeiten von AIG nicht schon im September richtig eingeschätzt hat.

Aber auch der Vorstand sei dafür zu kritisieren, dass er die Höhe der Verbindlichkeiten lange nicht realistisch einschätzen konnte. „Das habe ich bis jetzt bei keinem anderen Versicherer erlebt“, sagt Barile.

Er beobachtet eine Abwanderungswelle, die AIG zu schaffen mache: „Es gibt Gerüchte, dass mehr als 25 Angestellte pro Woche AIG verlassen.“ Da viele von ihnen AIG-Aktien hielten, seien sie durch den Kurseinbruch auch privat betroffen. „Bei einigen Mitarbeitern ist jetzt die Altersvorsorge praktisch futsch.“ Private-Equity-Firmen versuchten, dies auszunutzen und die Angestellten mit hohen Gehältern abzuwerben.

Quelle: Financial Times Deutschland

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