Verfassungsrichter skeptisch gegenüber Beschwerden privaterKrankenversicherer
Von Herbert Fromme, Karlsruhe
D ie umstrittene Gesundheitsreform wird am 1. Januar in Kraft treten können. Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wird wohl erst im Frühjahr über Verfassungsbeschwerden von 29 privaten Krankenversicherern (PKV) entscheiden. Das wurde gestern bei der mündlichen Verhandlung über acht ausgewählte Verfahren deutlich.
In zwei strittigen Fragen hält das Gericht die Beschwerden für unzulässig, betonte Senatspräsident Hans-Jürgen Papier. Dabei geht es um die gesetzlich festgeschriebene Subventionierung der Krankenkassen aus dem Bundeshaushalt und die Möglichkeit der Kassen, selbst Wahltarife für ihre Versicherten anzubieten. „Der Senat hegt gewisse Zweifel an der Zulässigkeit dieser Punkte der Verfassungsbeschwerden“, sagte Papier.
Die PKV wehrt sich vor allem gegen die verpflichtende Einführung eines Basistarifs, in den sie alle Interessenten aufnehmen muss. Der Tarif soll in etwa die Leistungen der gesetzlichen Kassen bieten und deren Höchstbeitrag nicht überschreiten. Auch dass Kunden bei dem Wechsel zwischen PKV-Unternehmen künftig einen Teil ihrer Alterungsrückstellungen mitnehmen dürfen, ist den Versicherern ein Dorn im Auge. Durch die Reform sieht die PKV ihre Grundrechte auf Berufs- und Vereinigungsfreiheit, allgemeine Vertragsfreiheit sowie das Eigentumsgrundrecht verletzt.
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt verteidigte gestern die Reform. Sie sei nötig, um die Gesundheitsversorgung zu stabilisieren, den Wettbewerb in der PKV zu fördern und die Branche zur Absicherung von sozial Schwächeren heranzuziehen. Die PKV sieht dagegen in den Maßnahmen den politischen Versuch, sie abzuschaffen.
„Es gibt die politische Tendenz zur existenziellen Schwächung der privaten Krankenversicherung“, sagte Günter Dibbern, Chef der Deutschen und der Victoria Krankenversicherung. Der Basistarif könne für viele ältere Versicherte attraktiv sein. Da er für sich nicht auskömmlich sei, müssten ihn die übrigen PKV-Kunden quersubventionieren – ihre Beiträge würden dann steigen, argumentierten PKV-Vertreter. Alle gesetzlichen Änderungen zusammen würden Beitragserhöhungen bis zu 50 Prozent auslösen, behauptete Dibbern.
Unterstützung bekam die PKV von Verbraucherschützern. Der Basistarif werde zu einer „immer engeren Spirale“ führen, sagte der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof Wolfgang Römer für den Bund der Versicherten. Die Sachverständigen Bert Rürup und Ulrich Meyer konnten die Untergangsszenarien der PKV nicht nachvollziehen. Rürup verlangte eine bessere Offenlegung der Daten durch die PKV.
Quelle: Financial Times Deutschland
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