Auch Insolvenzen bringen neue Aufträge: Die Großen ringen derzeit hart um die Mandate. Die EU-Kommission kritisiert ihre Marktmacht
Von Herbert Fromme
Ausgerechnet Siemens lieferte den letzten Beweis, dass der Wettbewerb zwischen den großen Wirtschaftsprüfern funktioniert. Ende November wechselte der Münchner Konzern, heftig mit den Aufräumarbeiten eines der größten Wirtschaftsskandale des Landes befasst, den Prüfer. Statt KPMG, dessen Vorläufer Siemens seit 1931 begleiteten, heißt der nun Ernst & Young. Aktionärsschützer hatten schon bald nach Beginn der Aufarbeitung des Bestechungsskandals bei Siemens den Wechsel der Prüfer gefordert.
Der Schritt ist mit gewaltigem Aufwand verbunden, schließlich sind rund 500 KPMG-Prüfer allein mit Siemens beschäftigt. KPMG bleibt aber auch nach Verlust des Siemens-Mandats der Platzhirsch. Das Unternehmen prüft weiterhin 19 der 30 Dax-Konzerne.
Der angeblich mangelnde Wettbewerb zwischen den großen Wirtschaftsprüfern wird seit Jahren immer wieder von der EU-Kommission und von Wettbewerbsjuristen moniert. Hans Wagener, Vorstandssprecher des Wirtschaftsprüfers PricewaterhouseCoopers (PwC) spricht indes von einer lebendigen Konkurrenz in der Branche. „Die vier großen Firmen liefern sich harte Gefechte mit einem entsprechendem Preiskampf“, sagt er. Aber auch bei kleinen und mittleren Unternehmen gebe es spürbare Konkurrenz, Fusionen oder sogar den Rückzug auf die Steuerberatung. Für mittelgroße Anbieter sei es daneben oft ein Problem, die geforderte internationale Präsenz darzustellen. „Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man Stadtwerke zu kommunalen Sätzen prüft oder einen Mittelständler mit vier Werken im Ausland“, sagt Wagener.
Auch Klaus-Peter Naumann, Sprecher des Vorstands beim Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) ist der Überzeugung, dass der Wettbewerb in der Prüferbranche „extrem ausgeprägt“ ist. Bei jeder Ausschreibung, auch bei Dax-Unternehmen, gebe es mehrere Angebote. Selbst wenn das Mandat bei einer Gesellschaft verbleibe, sorge das für Druck auf die Prüfungsgebühren.
Dazu kommt, dass die Branche die Auswirkungen des Konjunkturabschwungs spürt. „Gegenüber dem Vorjahr ist beispielsweise das Wachstum in unserem Bereich Transaktionsberatung, der besonders unter der Finanzmarktkrise zu leiden hat, stark zurückgegangen“, sagt Herbert Müller, Vorstandsvorsitzender bei Ernst & Young. Auch Wagener von PwC sieht Auswirkungen der Krise. „Es gibt in diesen schwierigen Zeiten weniger Börsengänge, auch manche Beratungsaufträge fallen weg.“ IDW-Vorstand Naumann stimmt dem zu: „Wenn es in der Realwirtschaft kracht, dann ergibt das zunächst einmal eine potenzielle Reduzierung des Honorarvolumens.“ Das beziehe sich vor allem auf Beratungsarbeiten, der Prüfbereich laufe weitgehend unabhängig von der Konjunktur.
Die führenden Wirtschaftsprüfer sind sich aber einig, dass die Krise auch Chancen für sie bietet. „Es kann Bedarf nach neuer Beratung entstehen, bis hin zur Begleitung bei drohender Insolvenz“, sagt Naumann. Auch Ernst-&-Young-Chef Müller sieht eine deutlich anziehende Nachfrage nach „Risikomanagementberatung, Restrukturierungsberatung und Beratung rund um die Unternehmensfinanzen“.
Auf der Negativseite steht, dass die ersten geschädigten Kunden von Banken und anderen Unternehmen versuchen, auch von Wirtschaftsprüfern Schadenersatz zu erhalten. Der amerikanische San Mateo County Investment Pool ist ein Anlageverbund von mehreren Gemeinden. Er hat Ernst & Young jetzt auf Schadenersatz verklagt, weil das Unternehmen „absichtlich den wahren Zustand“ der Bank Lehman Brothers missachtet haben soll.
KPMG-Manager Wienand Schruff glaubt, dass der internationale Wettbewerb durch einheitliche Rechtsgrundlagen gefördert werden könne. „In einigen Ländern dürfen die Wirtschaftsprüfer auch als Steuerberater für ihre Prüfmandanten tätig sein und Steuererklärungen abgeben, die auf ihrer Prüfarbeit beruhen“, sagt er. In anderen EU-Staaten sei das nicht erlaubt. Das stoße bei Mandanten auf Unverständnis.
Quelle: Financial Times Deutschland
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