Verunsicherte Einkäufer

Kolumne

Herbert Fromme

Die Versicherungseinkäufer der Industrie machen sich Sorgen. Sie fragen sich, wie wetterfest die Gesellschaften sind, auf die ihre Konzerne sich verlassen müssen. Das ist nicht unbedingt Misstrauen gegen die Finanzkraft einzelner Versicherer geschuldet. Der Grund: Den Einkäufern sind die Kriterien abhandengekommen, anhand deren sie auswählten.

Bis zum September 2008 war alles ganz einfach. Als entscheidend für die finanzielle Stärke eines Versicherers galt das Rating. Wenn Standard & Poor’s, Moody’s, AM Best oder Fitch den Daumen hoben, war alles in Ordnung, wenn sie ihn senkten, nicht.

Der Fall des US-Giganten AIG hat diese Zuversicht gründlich erschüttert. Bis zum 15. September 2008 hatte das Unternehmen ein Rating von hervorragenden „AA“ bei Standard & Poor’s – und brauchte am Tag darauf 85 Mrd. $ Regierungshilfe, um nicht Konkurs zu gehen. Kann man sich da noch auf die Beurteilung der Versicherer durch Ratingagenturen verlassen?

Hier geht es schließlich nicht um Kleingeld. Ein großer Industrieschaden erreicht leicht Hunderte von Millionen Euro. Haftpflichtansprüche wegen eines fehlerhaften Produkts gehen in die Milliarden. Wenn die Versicherer nicht zahlen, kann das die Existenz eines Unternehmens kosten.

Die Konsequenz ist der Ruf nach dem Staat. Wo waren die Aufsichtsbehörden im Fall AIG, fragen die Einkäufer. „Die USA haben Sarbanes-Oxley und alle möglichen anderen Compliance-Regeln, und dann passiert AIG“, beschwert sich ein Manager. Künftig solle die Aufsicht bitte dafür sorgen, dass Versicherer auch langfristig tatsächlich zahlungsfähig sind.

Die EU und die Aufseher in Europa werden das mit großem Interesse hören. Denn es waren die Verbände der Einkäufer, die sich bislang immer die Einmischung verbaten und von selbstständigen Geschäften zwischen Vollkaufleuten sprachen. Aber die gegenwärtige Krise ändert so manches, auch die eine oder andere Grundüberzeugung.

Herbert Fromme ist Versicherungskorrespondent der FTD.

E-Mail: fromme.herbert@guj.de

Quelle: Financial Times Deutschland

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