Unternehmen lockt unzufriedene Vertriebsleute der Konkurrenz · Wettbewerb umgute Verkäufer in der Assekuranz wächst
Von Herbert Fromme, Köln
Mit einer gezielten und bislang einzigartigen Abwerbungskampagne will der Osnabrücker Finanzvertrieb FVB im laufenden Jahr die Zahl seiner Handelsvertreter von 300 auf 500 erhöhen und den Umsatz verdoppeln. „Wir interessieren uns für Leute zwischen 28 und 50 Jahren mit einem Bestand von mindestens 1000 Kunden“, sagte FVB-Chef und Gründer Thomas Schallenberg.
Wenn diese Vertreter zu FVB wechseln, garantiert das Unternehmen ihnen ein Jahr lang die Provision, die sie bei ihren alten Unternehmen erhielten. „Die Voraussetzung ist ein entsprechender Umsatz oder, dass er bei mindestens 20 Kunden im Monat eine Bedarfsanalyse durchführt und Maklermandate erhält“, sagte Schallenberg. Damit wechseln die Kunden von dem Ex-Auftraggeber des Vertreters zu anderen Versicherern, für die FVB vermittelt. „Im ersten Quartal haben wir beim Umsatz 50 Prozent zugelegt“, sagte Schallenberg. Die konkrete Zahl wollte er aber nicht nennen. Von den neuen Vertriebsleuten kämen viele von Allianz sowie von Wüstenrot und Württembergische (W&W). Peter Köhler, Ex-Vertriebsvorstand bei W&W, ist seit 2007 Geschäftsführer in Osnabrück.
FVB setzt auf die Unruhe bei zahlreichen selbstständigen Versicherungsvertretern, die ausschließlich für einen Konzern arbeiten. „Viele Vertreter sind unzufrieden“, glaubt Schallenberg. Sie müssten Geschäftspläne erfüllen, also eine vorgegebene Zahl von Lebens- oder Unfallpolicen verkaufen, um sich die lebensnotwendigen Boni zu verdienen. Schallenbergs Firma ist ein Maklerunternehmen, vermittelt deshalb für viele Versicherer. Die einzelnen Vermittler sind aber auch hier freie Handelsvertreter.
Der Wettbewerb um gute Vertriebsleute wächst auch unter den Versicherern selbst. „Alle wollen die Ausschließlichkeitsorganisationen ausbauen“, sagte Michael Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute. „Die Neuen sollen möglichst einen Bestand von 1 Mio. Euro mitbringen und 35 bis 40 Jahre alt sein.“
Der Hintergrund: Die deutsche Versicherungswirtschaft stagniert. 2008 stiegen die Beitragseinnahmen nur noch um 0,2 Prozent. Wer heute wachsen will, muss das auf Kosten der Konkurrenz tun – und dafür Vertriebskraft abwerben.
Auch Marktführer Allianz spürt einen verschärften Wettbewerb um Vertriebskräfte. „Das ist ein Marktthema, gute Leute werden gesucht“, sagte ein Sprecher. Für die Allianz Deutschland verlaufe dieser Wettbewerb positiv. „Wir hatten 2008 nur 260 Eigenkündigungen“, sagte er. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 10 500 Vertreter. Offenbar gibt es eine große Diskrepanz zwischen öffentlich geäußertem Unmut der Vertreter und tatsächlicher Abwanderung. „Die Versicherer versuchen mit viel Geld, gute Leute zu halten“, sagte Eugen Bucher, bis 2006 Vorstand bei MLP und seit 2007 in der Führung des neu gegründeten Finanzvertriebs Formaxx. Langfristig gebe es aber eine Krise des Modells der Einfirmenvertreter.
„Wer vor allem ein Produkt verkauft, deckt mit nur geringer Wahrscheinlichkeit den konkreten Bedarf des Kunden ab“, sagte Bucher. Kein Versicherer könne alle benötigten Policen im Angebot haben. Anders als FVB will Formaxx aber nicht in erster Linie Vertreter bei Versicherern abwerben. „Es ist sehr mühselig, einen solchen Bestand zu übernehmen.“
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo