Industrie- und Gewerbesparte trennt sich von Krisenmutter · Neuer Name bis2010 · Interview mit Europachef Portalatin
Von Herbert Fromme, Köln
Die Industrie- und Gewerbeversicherer des problembeladenen US-Konzerns American International Group (AIG) wollen sich bis spätestens 2010 von der Obergesellschaft AIG Inc. trennen. „Wir bauen eine Marke auf, die sich deutlich von AIG unterscheidet“, sagte Europachef Julio Portalatin der FTD. „Nach dem jetzigen Stand sollten wir bis Ende 2009 eine Entscheidung über die separate Marke getroffen haben“, sagte er.
So wollen sich die AIG-Versicherer rechtzeitig zu den Vertragsverhandlungen für 2010 mit der sensiblen Industriekundschaft zumindest beim Namen für unabhängig erklärt haben. Bis 2010 soll das Unternehmen dann auch neue Eigner haben. „Bislang haben wir dabei angekündigt, dass eine Minderheitsbeteiligung abgegeben wird“, sagte Portalatin und ließ offen, ob AIG auf die Mehrheit verzichten würde. Noch sei nicht endgültig entschieden, ob Anteile verkauft werden oder die neue Gruppe an die Börse geht. „Wir prüfen, was das Beste ist. Dabei hängt viel von der Marktsituation ab. Zurzeit beruht unsere Planung auf einem Börsengang“, sagte Portalatin weiter.
AIG hatte am Mittwoch einen bedeutenden Schritt zur Loslösung des Versicherers von der Mutter gemacht und die Zwischenholding AIU in eine Zweckgesellschaft eingebracht. In der neuen Gruppe fasst AIG die global agierende Industrieversicherung mit dem Gewerbekundengeschäft in den USA zusammen, auch ein kleiner Geschäftsbereich für Privatkunden gehört dazu. Die neue Gruppe kommt auf 36 Mrd. $ Prämie, davon ein Drittel außerhalb der USA. „AIG Europe erzielte 2008 3,3 Mrd. Euro Prämie“, sagte er.
Die Muttergesellschaft gehört zu 80 Prozent dem amerikanischen Staat, der AIG mit 183 Mrd. $ stützen muss. Das Unternehmen hatte sich mit der Absicherung von Kreditderivaten für Banken verhoben. Würde Washington es fallen lassen, wären zahlreiche Bankpleiten die Folge.
Für die operativen Versicherer bedeutet die Zugehörigkeit zum Konzern zunehmend eine Belastung – sie konkurrieren um Industriekunden mit Allianz, Axa oder Ace und müssen immer öfter begründen, warum sie Teil des angeschlagenen AIG-Konzerns sind.
„Unsere Kunden wollen sichergestellt sehen, dass sie eindeutig vor jedweder Aktivität auf Ebene der AIG Inc. geschützt sind“, sagte Portalatin. Deshalb sichere das Unternehmen Kunden, Maklern und Mitarbeitern zu, dass es zur Loslösung komme.
Noch Ende 2008 hatte Portalatin jeden Gedanken an Trennung von der maroden Mutter scharf zurückgewiesen. „Seither hat sich die Marktsituation deutlich verändert“, begründete er den Sinneswandel. Es gebe heute viele Interessenten für das AIG-Kerngeschäft. Außerdem habe sich herausgestellt, dass es in der bisherigen Struktur schwierig war, bestimmte zum Verkauf stehende Konzernteile abzugeben.
Jetzt gehe der Abnabelungsprozess mit hoher Geschwindigkeit vor sich. Dabei müssten die bisher unabhängig voneinander agierenden Teile des neuen Konzerns bilanztechnisch zusammengefasst werden. „Dann brauchen wir einen eigenen unabhängigen Verwaltungsrat und das neue Management“, sagte er. Schließlich müsse man zahlreiche operative Tätigkeiten von dem AIG-Konzern separieren und schließlich einen Prospekt für den Börsengang schreiben.
Quelle: Financial Times Deutschland
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