Selbst wenn ein Feuer die Wohnung vollständig verwüstet hat, zahlt dieAssekuranz dem Kunden nicht einfach die Versicherungssumme aus
VON Anja Krüger
und Ilse Schlingensiepen
Ein Albtraum: Die Wohnung ist komplett ausgebrannt. Wer keine Hausratversicherung hat, kann nur hoffen, dass er einen zahlungskräftigen Verursacher findet. Aber auch wer versichert ist, bekommt nicht sofort Geld.
Eines immerhin braucht das Brandopfer nicht zu befürchten: dass die Police zu Asche geworden ist. „Das ist das kleinste Problem“, sagt André Marotz, Abteilungsleiter Sachverständige bei der Provinzial Nordwest. Versicherer haben die Unterlagen ihrer Kunden. Ist ein Vertreter im Spiel, hat der sie auch. „Die Kunden rufen an, und wir finden ihre Daten in der EDV“, erklärt Marotz. Mit dem Anruf allein ist es aber nicht getan.
Anders als viele Geschädigte erwarten, überweist der Versicherer auch bei einem Totalschaden nicht einfach die vereinbarte Summe. „Viele Kunden rechnen die Versicherungssumme pro Quadratmeter hoch und glauben, diese Summe ausgezahlt zu bekommen“, sagt Marotz. „Aber so einfach ist das nicht.“ Bevor der Kunde einen Cent sieht, muss der entstandene Schaden genau ermittelt werden. Davon hängt die konkrete Entschädigungshöhe ab. „Wir könnten theoretisch sagen, der Kunde muss alles nachweisen“, sagt Marotz. „Aber das ist praxisfremd.“ Bei einem Brand sind Quittungen meistens weg.
„Im Normalfall erstellt der Kunde eine Schadenliste“, sagt Marotz. Und das kann zu bösen Überraschungen führen. Gibt der Kunde dem Versicherer eine Liste mit einem Gesamtwert von 150 000 Euro und ist nur über 100 000 Euro versichert, wertet die Gesellschaft das als sogenannte Unterversicherung.
Das hat Konsequenzen. „Der Versicherer kürzt in diesem Fall die Versicherungssumme“, erklärt Marotz. Bei den meisten Anbietern können Kunden Policen mit einer Klausel abschließen, die eine Unterversicherung ausschließt. Versicherer berechnen dabei die Versicherungssumme nach einer festen Formel, in der Regel sind das 650 Euro pro Quadratmeter. Haben Geschädigte einen Vertrag mit dieser Klausel, bekommen sie die volle Versicherungssumme – aber eben auch nicht mehr, wenn höhere Werte den Flammen zum Opfer gefallen sind.
Im Zweifelsfall prüft der Gutachter den Schaden, etwa wenn der Kunde selbst nicht einschätzen kann, was Gegenstände wert waren. „Es ist erstaunlich, was man auch nach einem Brand noch alles erkennen kann“, sagt Marotz. Vor allem, wenn eine Brandstiftung die Ursache des Feuers war, kann die Regulierung viele Wochen dauern. „Wir sind dann auf die Ermittlungsergebnisse der Behörden angewiesen“, sagt der Experte.
Auch wenn ein Gutachter den Brandschaden in Augenschein nimmt, kann der Kunde Probleme mit der Unterversicherung bekommen. „Das Problem ist, dass sich manche Gutachter wie die Versicherer selbst an der Pauschalformel orientieren“, sagt Torsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Die Folge: Der Gutachter prüft nicht, welche Werte in der Wohnung oder dem Haus waren, sondern lediglich die Größe. War nach der Formel der Hausrat nicht ausreichend abgesichert, kürzt der Versicherer die Schadenzahlung. Das sollte der Versicherte nicht hinnehmen, wenn er seiner Einschätzung nach eine ausreichende Deckung gewählt hatte. Das muss er dann mit einer Auflistung des Hausrats belegen. „Wenn ich den Nachweis führen kann, dass ich ausreichend versichert war, muss der Versicherer bezahlen“, sagt Rudnik.
Oft vermuten Kunden fälschlicherweise, dass ihre Hausratpolice alle Gefahren abdeckt. Doch im Vertrag ist genau definiert, wann der Versicherer zahlt, etwa bei Brand, Schäden durch Leitungswasser, Blitzschlag oder Einbruch. Für Schäden durch Überschwemmungen, Erdbeben, Schneedruck oder Lawinen brauchen sie einen Zusatzschutz.
Quelle: Financial Times Deutschland
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