Erste Konzerne locken Führungskräfte mit Sonderkonditionen
Von Herbert Fromme
und Ilse Schlingensiepen, Köln
Der zweitgrößte private Krankenversicherer Deutschlands, die Deutsche Krankenversicherung (DKV), verhandelt mit einer Reihe von Großkonzernen über die Einführung eigener Gesundheitsversorgungssysteme. Damit sollen hiesige Unternehmen zum ersten Mal nach US-Vorbild private Krankenversicherungen als Anreiz für Manager anbieten – analog zur betrieblichen Altersversorgung. In Nordamerika ist die Krankenversicherung bereits entscheidender Bestandteil eines Gesamtpakets für Führungskräfte. Im Wettbewerb um Spitzenkräfte spielen Sonderleistungen eine wichtige Rolle – vor allem nachdem Bonuszahlungen nun in die öffentliche Kritik geraten sind.
Die Krankenversicherer erschließen sich mit solchen Kooperationen neue Vertriebswege. So bietet der Chemiekonzern Bayer seinen Führungskräften bereits seit dem vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit der DKV Krankenversicherungen an, wie jetzt bekannt wurde. Ein Drittel der 46 privaten Krankenversicherer hatten sich um das Mandat beworben. In der ersten Tranche deckt das System 350 Topleute, 200 haben sich bislang versichert. In einer zweiten Stufe sollen weitere 2000 Führungskräfte und schließlich in einem dritten Schritt 3600 außertariflich bezahlte Angestellte hinzukommen. Die gesetzlich versicherten Manager werden, wenn sie den privaten Zusatztarif annehmen, künftig wie Privatpatienten behandelt.
Die privaten Krankenversicherer brauchen dringend neue Absatzkanäle, denn sie stehen unter heftigem Druck der Politik und wachsen kaum noch. Normale Zusatzdeckungen für Zahnersatz oder andere Einzelleistungen sind zwar weitverbreitet, bringen aber wenig Umsatz, weil die Prämiensummen sehr klein sind. Ein Gruppenvertrag wie der zwischen Bayer und der DKV bringt dagegen auf einen Schlag Hunderte Neukunden in einem umsatzstarken Segment.
Die Bedeutung solcher Abschlüsse wird noch mehr wachsen, wenn sich Bestrebungen von SPD sowie Teilen der CDU und der Assekuranz selbst durchsetzen, die Zweigliederung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufzubrechen. Der Gedanke: Künftig gibt es einen einheitlichen Grundschutz für alle. Die bisherige Form der separaten privaten Krankenversicherung, die sich ihre Kunden nach Alter und Gesundheitszustand aussucht, fällt weg. Anbieter solcher Grunddeckungen sollten entweder gesetzlich oder privat organisiert sein, so etwa das Kalkül von Versicherungs-Marktführer Allianz. Zusätzlich zum Grundschutz könnten die Versicherten sich dann Zusatzdeckungen kaufen. Dabei würden Gruppenverträge eine wichtige Rolle spielen.
Ähnlich ist bereits der Vertrag zwischen Bayer und DKV konzipiert: Bayer zahlt seinen Führungskräften einen Krankenversicherungszuschuss von 3600 Euro im Jahr zusätzlich zum Arbeitgeberanteil. Die DKV versichert die Manager und ihre Familienmitglieder in einem günstigen Gruppenvertrag. Für Mitglieder einer gesetzlichen Kasse, vor allem der Bayer-Betriebskrankenkasse (BKK) Pronova, umfasst die Vereinbarung eine Zusatzdeckung. Die Rechnung für die Behandlung als Privatpatient wird zwischen der Kasse und der DKV aufgeteilt. Der versicherte Manager selbst hat damit dann keine Arbeit mehr.
Die Bayer-Betriebskrankenkasse Pronova ist Teil des staatlich geregelten gesetzlichen Systems. Wie bei allen Krankenkassen sind Kinder automatisch beitragsfrei mitversichert. Das ist bei privaten Versicherungen anders. Wegen der mit der DKV vereinbarten Zusatzdeckung – in der Fachsprache Restkostenversicherung – fühlt sich die Pronova-Mitgliedschaft für einen Bayer-Manager aber an wie eine Privatversicherung ohne deren Nachteile. „So wird dem Einzelnen ermöglicht, in der gesetzlichen Krankenkasse zu verbleiben und dennoch in der ambulanten wie der stationären ärztlichen Versorgung die Vorteile eines Privatversicherten zu erlangen“, sagte eine Bayer-Sprecherin.
Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen sieht den Vertrag zwischen Bayer und DKV als Teil der Annäherung zwischen den bislang getrennten Systemen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung. „Das ist ein großer Schritt in diese Richtung.“ Bedürfnissen der Kunden komme eine solche Lösung entgegen. „Sie haben Interesse an Krankenversicherung aus einer Hand.“
Allerdings: Auf die bei privaten Kassen obligatorische Gesundheitsprüfung will die DKV, die zur Ergo und damit zum Konzern der Münchener Rück gehört, auch im Fall der Bayer-Manager nicht verzichten, sagte DKV-Manager Jörg Brönner, stellvertretender Leiter des Firmen- und Verbandsgeschäfts. „Dann verlangen wir Risikozuschläge oder schließen die Behandlungskosten für bestimmte Krankheiten aus“, so Brönner. In den USA werden Gesundheitsprüfungen bei Gruppenverträgen oft ausgeschlossen – der Versicherer verlässt sich darauf, dass eine große Gruppe durchschnittlich gesund ist.
Die meisten deutschen Firmen beschränken sich bisher auf Zusatzdeckungen oder Spezialpolicen für Personal, das im Ausland eingesetzt wird. Ansonsten gilt: Wer sich wo versichert, ist Privatsache.
Quelle: Financial Times Deutschland
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