Galerien und Museen können ihre Schätze mit geringem Aufwand schützen.Wertvolle Bilder und Skulpturen sollten weit weg vom Eingang hängen
Von Patrick Hagen
Mit großem Geschick trickst der Einbrecher berührungsempfindliche Böden und rotierende Bewegungsmelder aus, die besten Alarmsysteme sind für ihn kein Hindernis: Im Film wird der Raub von Meisterwerken oft als die hohe Kunst des Einbruchs dargestellt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Oft treffen Kunstdiebe keineswegs auf ernsthafte Hindernisse. Außer bei großen Ausstellungen sind die Sicherheitsvorkehrungen in Museen häufig schwach, sagt Thomas Hiddemann, Leiter der Kölner Niederlassung des Spezialversicherers Hiscox. „Und das wissen auch die Profis.“
Immer wieder sorgen spektakuläre Fälle von Kunstdiebstahl für Schlagzeilen. Anfang Juni verschwand ein Skizzenbuch von Pablo Picasso aus einem Pariser Museum. Der Boom auf dem milliardenschweren Kunstmarkt hat zu der Hochkonjunktur für Räuber beigetragen, sagt Hiddemann. Das Art Loss Register, eine Datenbank für vermisste Werke, verzeichnet rund 180 000 gestohlene oder verschwundene Gemälde, Skulpturen oder Antiquitäten.
Anders als im Film sind die Täter in der Realität oft keine schöngeistigen Meisterdiebe. Nicht selten lassen sie die wertvollsten Gemälde hängen. „Die Diebe sind Laien im Kunstbereich, aber Profis im Diebstahl“, sagt Stefan Horsthemke vom Kunstversicherer Axa Art.
Besonders kleinere Museen oder Galerien mit wertvollen Exponaten sind gefährdet. „Bei den Fällen in den vergangenen Jahren waren vielfach kleinere Museen betroffen“, sagt Madeleine Schulz vom Kunstversicherungsmakler Funk Fine Arts. Sie kennt die kleinen, folgenschweren Fehler: Bilder hängen in schlecht einsehbaren Räumen oder zu nah am Eingang, kleinformatige Werke sind nicht an der Wand befestigt und lassen sich einfach mitnehmen.
Schon Vorkehrungen, die ohne großen Aufwand und günstig getroffen werden können, schützen vor Dieben. Für die Langfinger wächst die Gefahr, wenn sie mit dem Auto nicht direkt vorm Eingang des Museums halten können. Auch eine Drehtür, die nur eine Person durchlässt, kann ihnen die Lust auf einen Coup nehmen. Auf jeden Fall sollten Räuber es weit haben, rät Versicherer Horsthemke: Die wertvollsten Objekte gehören in den ersten Stock oder zumindest weit weg vom Eingang.
Solche Maßnahmen sind vor allem für Museen und Galerien wichtig, die bei einem Diebstahl keine Entschädigung bekommen. Nur die wenigsten Sammlungen in Deutschland seien versichert, sagt Hiddemann von Hiscox. Auch die Gemälde, die 2008 aus der Züricher Sammlung Bührle entwendet wurden, waren nicht versichert. Leihgaben dagegen haben fast immer eine Deckung – die Eigentümer bestehen darauf.
Policen abschließen können allerdings nur Galerien und Museen, die ein gewisses Sicherheitsniveau einhalten. Die Versicherer schicken Fachleute, die sich ein eigenes Bild von der Lage vor Ort machen. „Wir versichern Werte in der Höhe eines Jumbojets, die man sich aber einfach unter den Arm klemmen kann“, sagt Horsthemke.
Ein Drittel der gestohlenen Werke taucht innerhalb eines Jahres wieder auf, ein weiteres Drittel wird nach sechs bis acht Jahren gefunden. Der Rest bleibt länger verschwunden, etwa weil die Banditen keinen Käufer für die heiße Ware finden. „Die Täter unterschätzen häufig, dass es für bekannte Gemälde praktisch keinen Markt gibt“, sagt er. Die Vorstellung, dass reiche Privatsammler Kriminelle beauftragen, um an begehrte Kunst zu kommen, hält er für einen Mythos.
Zunehmende Verbreitung findet das sogenannte Art-Napping. Dabei soll der Bestohlene ein Lösegeld zahlen und bekommt dann sein Bild oder seine Skulptur wieder. Das ist für die Besitzer besonders heikel, denn sie wissen nicht, ob der Erpresser wirklich der Dieb ist. Nach dem Raub eines Bildes von William Turner verlangten die vermeintlichen Räuber vom Besitzer eine hohe Zahlung. Doch die Gemälde waren gar nicht in ihrer Hand. Die Verbrecher hatten Fälschungen angefertigt.
Quelle: Financial Times Deutschland
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