Vorstand Oliver Bäte kritisiert mangelnde Produktivität der Assekuranz ·Geschäfte des Konzerns laufen gut
VON Herbert Fromme, München
Die Versicherungswirtschaft gehört nach Ansicht von Allianz-Vorstand Oliver Bäte zu den unproduktivsten Branchen in Deutschland. „Von allen Branchen, die ich gesehen habe, hat die Versicherung die schlechteste Produktivität“, sagte Bäte. „Viele der operativen Prozesse stammen aus den 1950er-Jahren“, sagte Bäte am Donnerstag auf einer Fachtagung der Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) in München. Das sei für Investoren unzumutbar.
Bäte ist Chief Operating Officer des Konzerns und folgt im Herbst als Finanzchef Helmut Perlet nach, der in den Ruhestand geht. Bevor Bäte Anfang 2008 zur Allianz kam, war er in der Führungsebene bem Beratungsunternehmen McKinsey Deutschland. Zurzeit ist er für die Umbaumaßnahmen der Allianz in vielen Ländern zuständig.
Den Versicherungen machen derzeit bei ihren Kapitalanlagen niedrige Zinsen und die starken Schwankungen und Verluste der Aktienmärkte zu schaffen. Dies gefährdet ihre Profitabilität. Allianz-Vorstand Bäte rückt jedoch mit der Kritik auch interne Kostenprobleme in den Fokus.
Ein Beispiel sei die Tatsache, dass die Versicherer in sehr teuren Gebäuden mitten in den Innenstädten sitzen. „Die Manager lieben es, in komfortablen Büros in der Nähe der Oper zu arbeiten“, sagte er. Das führe zu vergleichsweise hohen Gehaltsniveaus, weil die Lebenshaltungskosten für die Mitarbeiter in den großen Städten teuer sein.
Der Manager nannte die mangelnde Produktivität als einen der zum Teil selbst gemachten Gründe, aus denen Anleger die Versicherungsbranche verglichen mit anderen Branchen abstraften. Ein weiterer Grund: Die Versicherer hätten es bislang nicht verstanden, Zweifel von Anlegern an der Lebensversicherung und den darin enthaltenen Risiken auszuräumen, sagte Bäte. Die Versicherungswirtschaft sei gleichzeitig von dem Geschäftsmodell abgewichen, im Risikotransfer zu agieren. „Ein Beispiel sind fondsgebundene Policen“, sagte der Allianz-Vorstand. Die Versicherer böten oft nur verpackte Fonds zu hohen Kosten an.
Bäte sagte zudem, im ersten Quartal habe die Allianz in allen Geschäftsfeldern Geld verdient. „Dieser positive Trend setzte sich im zweiten Quartal fort.“ Das Kerngeschäft Schaden- und Unfallversicherung – Autos, Gebäude, Haftpflicht- und Unfallrisiken – laufe ausgezeichnet. Dort mache sich die Allianz inzwischen Gedanken, wie sich die durch die Finanzkrise ausgelöste Wirtschaftskrise auswirke.
In der Lebensversicherung habe der Konzern wie alle dort aktiven Gesellschaften Belastungen in den USA gespürt. „Aber aus den falschen Gründen sind wir kaum betroffen“, sagte Bäte. Das heißt: Die Allianz ist dort in der Lebensversicherung sehr klein. Selbst in der Vermögensverwaltung sei im ersten Quartal Geld verdient worden.
Trotz dieser Leistungen entwickelte sich auch die Allianz-Aktie zuletzt schlechter als der Gesamtmarkt. Das Papier schloss am Donnerstag mit 64,72 Euro. Binnen drei Monaten hatte der Deutsche Aktienindex 15 Prozent, der europäische Versicherungsbranchenindex Stoxx 600 Insurance 22 Prozent zugelegt. Die Allianz-Aktie verlor im gleichen Zeitraum zwei Prozent.
Vorwürfe, die Allianz habe sich der verlustmachenden Dresdner nur durch Staatshilfe an die Commerzbank entledigen können, wies Bäte zurück. Der Zusammenschluss sei Monate vorher geplant worden. Bäte räumte aber ein, dass die Dresdner Bank der Allianz ernsthafte Probleme hätte bereiten können, wenn sie noch zum Konzern gehörte.
Quelle: Financial Times Deutschland
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