Nach Eon, BASF und Bayer nimmt auch die Allianz ihre Aktie von der New YorkerBörse. Grund: US-Investoren handeln am liebsten in Frankfurt
Herbert Fromme
A ls Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle am 3. November 2000 die berühmte Glocke der New Yorker Börse bediente – da wollte er nicht nur den Handelsstart, sondern eine neue Konzernära einläuten. Mit riesigen blauen Stoffbannern hatte der Versicherer das Börsengebäude verhüllen lassen. Einem Texter war dazu der Slogan „Allianz covers Wall Street“ eingefallen. „Cover“ kann verdecken heißen, aber auch versichern.
Kurz zuvor hatten die Münchner die US-Fondsanbieter Pimco und Nicolas-Applegate gekauft. Mit dem Börsengang an der Wall Street wollten sich die Deutschen nun endgültig in den USA etablieren. Die Amerika-Begeisterung kannte keine Grenzen. Daheim in der Allianz-Kantine standen zum ersten Mal Cheeseburger auf dem Speiseplan.
Seit gestern ist die neue Ära schon wieder vorüber. Mit einer schlichten Pressemitteilung kündigte der größte westliche Versicherer den Rückzug von der Wall Street an. Auch in London, Paris und Mailand soll das Papier der Allianz nicht länger gehandelt werden. Investoren können die Aktie dann nur noch in Frankfurt erwerben. Die Allianz tut es damit BASF, Bayer und Eon gleich, die ihr US-Listing bereits aufgegeben haben.
Dabei ist es gerade mal eineinhalb Jahrzehnte her, dass die ersten deutschen Konzerne die amerikanische Börse für sich entdeckten. Während der New-Economy-Ära zogen dann sogar Mittelständler wie Pfeiffer Vacuum, Epcos oder Evotec gen Wall Street. Die Argumentation lautete damals: Wer die milliardenschweren US-Investoren erobern will, muss mit seinen Aktien vor Ort präsent sein. Allianz-Finanzchef Paul Achleitner wies zudem darauf hin, dass in New York gehandelte Aktien als Akquisitionswährung für den Kauf von US-Konkurrenten taugen.
Zumindest das Motiv der Investorennähe ist inzwischen längst überholt. Zwar halten US-Anleger heute 22 Prozent aller Aktien (2000 waren es nur fünf Prozent). Jedoch wird nur ein Zehntel davon in New York gehandelt. Mit anderen Worten: Amerikanische Investoren kaufen die Aktien deutscher Unternehmen in Frankfurt, nicht an der Wall Street. Ein weiterer Grund (den die Allianz jedoch verschweigt): Wer in New York gelistet wird, muss sich der rigiden US-Gesetzgebung und der resoluten Börsenaufsicht SEC unterwerfen. Hinzu kommen die Kosten, die die US-Notierung mit sich bringt, im Fall der Allianz rund 5 Mio. Euro jährlich.
Mithin, außer Spesen nichts gewesen? Kann man so sagen – fast jedenfalls: Von der USA-Euphorie des Versicherers bleibt immerhin der Cheeseburger. Der soll in München nämlich weiterhin auf dem Speiseplan stehen.
Flucht aus New York 16
Quelle: Financial Times Deutschland
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