Schifffahrtskrise hinterlässt tiefe Spuren · Emissionshäuser müssen mitNeubauwelle in Milliardenhöhe fertig werden
Von Patrick Hagen, Köln
Emissionshäuser werden nach Einschätzung der Fonds-Ratingagentur Scope in diesem Jahr in Deutschland nur etwa 360 Mio. Euro Eigenkapital für Schiffsfonds bei Investoren einwerben. Für 2010 erwartet Scope ein Platzierungsvolumen von 500 Mio. Euro. Zum Vergleich: 2008 sammelten die Fondshäuser 2,5 Mrd. Euro bei Anlegern ein, im Rekordjahr 2007 sogar 3,2 Mrd. Euro.
Der Einbruch der Platzierungserlöse stellt die Branche vor existenzielle Probleme, weil die Initiatoren in den vergangenen Jahren neue Schiffe auf Verdacht bestellt haben – in der Erwartung, problemlos das dafür benötigte Eigenkapital einwerben zu können. Doch jetzt sind die Geldquellen versiegt.
Scope schätzt vorsichtig, dass deutsche Schiffsinitiatoren mindestens 200 Schiffe mit einem Wert von 9 bis 10 Mrd. Euro geordert haben. Andere Experten gehen von mehr als 20 Mrd. Euro aus, die deutsche Fondsgesellschaften an Werften überweisen müssen. Ein Teil kommt von Schiffsbanken, aber ohne Eigenkapital der Anleger geht nichts. Selbst die konservative Scope-Schätzung liefe auf 4 Mrd. Euro Kapital hinaus, das von Anlegern kommen muss.
Die Emissionshäuser verhandeln daher bereits mit den Werften über Abbestellungen oder Verschiebungen, die meisten Schiffe werden aber gebaut. Kaum eine Werft kann es sich leisten, freiwillig einen Auftrag aufzugeben. Der Absturz bei den eingeworbenen Geldern wiederum ist eine Folge der Schifffahrtskrise. Die bestellten Schiffen werden daher schlicht nicht mehr gebraucht: Mehr als 600 Schiffe liegen zurzeit ohne einen Mietvertrag, die Charter, in Häfen oder auf Reeden. Die beschäftigten Schiffe verdienen häufig nicht einmal die Betriebskosten.
Schiffe im Fondsbesitz sind besonders stark betroffen. Im September gehörten nach Angaben der Lloyd’s Marine Intelligence Unit mehr als 130 von weltweit 614 unbeschäftigten Schiffen deutschen Privatanlegern.
Diese Zahl wird weiter steigen. In den kommenden zwölf Monaten laufen die Charterverträge von mindestens 130 weiteren Schiffen aus. „Für diese Schiffe dürfte es angesichts einer erst ab 2011 wahrscheinlichen Markterholung schwierig werden, eine auskömmliche Anschlussbeschäftigung zu finden und diesen Zeitraum ohne zusätzliche liquide Mittel zu überbrücken“, heißt es bei Scope.
Eine Reihe von Fonds braucht deshalb dringend frisches Geld von ihren Anlegern, 13 sind sogar schon pleite. Laut einer Umfrage von Scope bei 23 teilnehmenden Fondshäusern haben weitere 33 Schiffsfonds Problemen. Branchenweit dürften es mehr sein. Insider sprechen von mehr als 100 Fonds mit Schwierigkeiten.
Schiffsfonds werden über Banken und Vermögensberater mit hohen Provisionen verkauft. Bislang war die niedrige Besteuerung der Schiffe über die Tonnagesteuer ein gutes Verkaufsargument. Verluste der Schiffe sind allerdings doppelt problematisch, denn die Tonnagesteuer ist auch fällig, wenn bei den Kähnen Verluste anfallen. Anleger scheuen deshalb vor Schiffsinvestitionen zurück. Im ersten Halbjahr 2009 sammelten Emissionshäuser nur 160 Mio. Euro ein, ein Einbruch von 83 Prozent gegenüber 2008. Die größten Anbieter sind HCI, MPC, Nordcapital und Lloyd Fond.
Quelle: Financial Times Deutschland
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