Bilanzgremium IASB erlaubt Gesellschaften die Auslagerung von Aktien · Schubfür die Börse
Von Herbert Fromme, Köln
D ie Versicherungswirtschaft steht kurz vor einem folgenreichen Lobbyerfolg. Nach FTD-Informationen will das internationale Bilanzgremium IASB den Gesellschaften überraschend erlauben, einen Teil ihrer Aktien auch weiterhin aus der Ergebnisrechnung auszulagern.
Der Beschluss eröffnet den Versicherern die Möglichkeit, ihre Aktienquote mittelfristig von derzeit weit unter zehn Prozent signifikant zu erhöhen – schließlich brauchen die Konzerne nicht mehr zu fürchten, einen Wertverfall der Papiere künftig als Verlust verbuchen zu müssen. Dividenden aus den Aktien sollen die Konzerne gleichwohl als Gewinn ausweisen dürfen.
An den Börsen dürfte die Entscheidung des IASB zumindest auf mittlere Sicht für neuen Schwung sorgen. Allein die deutschen Versicherer gebieten über Kapitalanlagen in Höhe von rund 1100 Mrd. Euro. Selbst wenn die Konzerne ihre Aktienquote nur um fünf Prozent erhöhen, fließen 55 Mrd. Euro zusätzlich in die Aktienmärkte. Das ist fast ein Zehntel des Börsenwerts sämtlicher Dax-Konzerne. Auch für die Millionen Besitzer von Lebensversicherungen hat der Beschluss Folgen: Ihnen winken in Zukunft höhere Renditen – allerdings steigt auch das Risiko.
Die Entscheidung des IASB stehe unmittelbar bevor, hieß es am Donnerstag in London, wo das mächtige Expertengremium seinen Sitz hat. Zwar dürfen die Gesellschaften Wertschwankungen bei großen Teilen ihrer Aktien auch heute bereits ignorieren. Jedoch galt als wahrscheinlich, dass das IASB dieses Privileg im Zuge des allgemeinen Trends zu mehr Transparenz kippen würde.
Eigentlich hatte das Gremium die Versicherer verpflichten wollen, alle drei Monate über Wertveränderungen ihrer Aktien zu berichten – oder andernfalls die Dividenden nicht als Gewinn buchen zu dürfen. Beispiel: Hat ein Versicherer für 100 Mio. Euro Aktien erworben und verlieren diese 20 Prozent an Wert, hätte das mit einem Verlust von 20 Mio. Euro im Quartalsergebnis zu Buche geschlagen. Legen sie dann auf 120 Mio. Euro zu, wäre es zu einem Gewinn von 40 Mio. Euro gekommen. Die Konsequenz wäre Experten zufolge gewesen, dass Versicherer ihre Aktienbestände noch weiter reduziert hätten, als sie dies in Erwartung einer Änderung ohnehin schon haben.
Mit dem Rückzug beugt sich das IASB nicht nur der Versicherungswirtschaft, sondern auch dem heftigen Druck mehrerer europäischer Regierungen. Vor allem Frankreich und Deutschland hatten opponiert. Bei deutschen Versicherungsvorständen war von „den Bilanz-Ayatollahs des IASB“ die Rede.
Die Entscheidung stelle „einen Paradigmenwechsel für die Kapitalanlagepolitik von Versicherern dar“, sagte Carsten Zielke, Managing Director bei der Société Générale in Frankfurt. Zielke ist Mitglied des Beratungsgremiums der EU-Kommission in Bilanzierungsfragen. „Institutionelle Anleger müssen jetzt deutlich umdenken, da nun endlich die Rechnungslegung dem langfristigen Charakter des Aktieninvestments gerecht wird“, sagte Zielke.
Skeptischer zeigte sich Frank Ellenbürger, Vorstand des Wirtschaftsprüfers KPMG. „Wenn das so kommt, ist das allenfalls ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.“ Viele für die Versicherer nachteilige Vorschriften blieben erhalten. Ellenbürger erwartet, dass die Versicherer nur geringe Aktienbestände in der begünstigten Kategorie halten werden, weil sie Veräußerungsgewinne nicht im Ergebnis verbuchen könnten.
Leitartikel 27
www.ftd.de/bilanzregeln Sieg für die Versicherungswirtschaft
Quelle: Financial Times Deutschland
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