Rückversicherer bieten ihren Kunden zunehmend spezielle Services an
Von Anne-Christin Gröger
Nach dem Unfall war der Familienvater nicht mehr derselbe: Wegen einer posttraumatischen Hirnverletzung konnte er sich bei der Arbeit nicht mehr konzentrieren. Er schlief nicht mehr, bekam Depressionen. Nichts half. Dann schaltete der Unfallversicherer den Rehabilitationsdienst eines großen Rückversicherers ein. Der schickte einen Reha-Berater, der dem Mann eine neuropsychologische Behandlung vermittelte. Die verlief erfolgreich. Der Manager konnte wieder arbeiten.
„Wir wollen Menschen, die durch Unfälle oder Krankheiten aus ihrem normalen Leben geworfen sind, wieder zu mehr Alltag verhelfen“, sagt Jutta Eich, Geschäftsführerin des Rehabilitationsdiensts der Gen Re. Das rentiert sich für den Rückversicherer. „Seit mehr als zehn Jahren explodieren die Personenschäden im Kfz-Bereich“, sagt Eich. Durch bessere Sicherheitssysteme in den Autos sinkt die Zahl der Verkehrstoten. Immer mehr Unfallopfer überleben schwer verletzt. Die Versicherer zahlen für ihre Versorgung viel Geld. Im schlimmsten Fall müssen sie lebenslang für die Pflege des Betroffenen aufkommen. „Mit diesen Angeboten steuern die Unternehmen die Kosten“, sagt Eich.
Immer mehr Rückversicherer bieten wie die Gen Re neben ihrem Kerngeschäft – dem finanziellen Risikoschutz – zusätzliche Dienstleistungen an. Die Erstversicherer machen sie zum Bestandteil ihrer Angebote. Der Kölner Versicherer Gothaer bietet den Reha-Dienst der E+S Rück als Baustein an. „Der Kunde kann bei Abschluss einer Unfallpolice die Hilfs- und Pflegeleistungen dazukaufen“, sagt Ralf Mertke, Produktmanager bei der Gothaer.
Die Gen Re unterstützt Erstversicherer auch bei alltäglichen Geschäftsprozessen. Das Unternehmen hat eine spezielle Software zum Aufspüren von Versicherungsbetrug entwickelt. Sachbearbeiter in den Schadenabteilungen sollen damit besser erkennen können, ob einer Meldung ein echter Unfall oder Verlust zugrunde liegt oder ein Kunde nur Geld abzocken will. Setzen Kfz-Versicherer das Programm ein, sortiert die Software sämtliche Schäden nach den Kriterien, die auf einen Betrug hinweisen können. Dazu gehören der Ort eines Autounfalls und der Zeitpunkt, an dem er geschah. Das System schlägt Alarm, wenn Fahrzeuge der Schadensmeldung zufolge nachts in einem abgelegenen Industriegebiet zusammengestoßen sind. Nach den Erfahrungen der Versicherer sind solche Konstellationen ein starkes Indiz für einen Versicherungsbetrug, sagt Eberhard Fähnrich, Schadensspezialist bei der Gen Re. Das System identifiziert unter allen gemeldeten Schäden zwei bis drei Prozent als auffällig – das heißt aber nicht, dass es sich tatsächlich um Betrugsfälle handelt. Um das herauszufinden, müssen die Sachbearbeiter weitere Nachforschungen anstellen.
Auch Marktführer Munich Re baut sein Serviceangebot für Erstversicherer aus. Das Unternehmen stellt seinen Kunden ein Beratungsteam zur Umsetzung der Solvency-II-Bestimmungen zur Seite. Die künftige EU-Richtlinie zwingt Versicherer dazu, die eigenen Risiken genauer zu analysieren und entsprechendes Eigenkapital vorzuhalten.
Die Experten der Munich Re modellieren Risiken, die auf den Kunden zukommen könnten, etwa eine Hurrikanserie oder lang anhaltend niedrige Zinsen. Daraus errechnen sie, ob der Kunde genügend Kapital zur Verfügung hat, um die Gefahren abzudecken. „Wir haben Erfahrung im Risikomanagement, die wollen wir an die Kunden weitergeben“, sagt Thomas Blunck, Vorstandsmitglied der Munich Re. Damit lässt sich gut Geld verdienen. „Mit dem Dienstleistungszweig wollen wir vor allem unser Kerngeschäft ausdehnen.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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