Tiefe Spaltung von Banken und Versicherern führt zur Blockade in der EU ·Neuer IFRS-Standard kommt frühestens 2010
Von Herbert Fromme, Köln,
und Reinhard Hönighaus, Brüssel
Die EU-Kommission verweigert die sofortige Umsetzung der neuen internationalen Regeln für die Verbuchung von Finanzanlagen in europäisches Bilanzrecht. Der vom Londoner Regelausschuss International Accounting Standards Board (IASB) veröffentlichte neue Standard IFRS 9 wird nicht wie ursprünglich geplant im Schnellverfahren von den Beratergremien der EU und der Kommission abgesegnet – auf Druck großer Versicherer und Banken, vor allem Allianz, Axa und BNP Paribas.
Um die Ablösung des Bilanzstandards IAS 39 gibt es seit Monaten scharfen Streit. IAS 39 regelt die Bewertung zu Marktpreisen, die in der Krise hohe Abschreibungen verursachte. Dies zehrt am Eigenkapital von Banken und Versicherern. Das IASB will IAS 39 durch IFRS 9 ersetzen, damit nur zwei Methoden zulassen und Sonderregeln streichen. Papiere mit regelmäßige Erträgen wie Staatsanleihen, die bis zur Endfälligkeit gehalten werden, sollen zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden. Strukturierte Produkte und Aktien müssten zum Marktwert ausgewiesen werden.
Nun teilte die Kommission am Donnerstag mit, sie habe weiteren Beratungsbedarf und wolle noch ausstehende weitere Änderungen des Bilanzrechts abwarten. Die Folge: Europäische Banken und Versicherer können den vereinfachten Standard nicht schon für ihre Bilanzen 2009 anwenden, wie die Finanzkonzerne in 80 anderen Ländern der Welt außer den USA, sondern frühestens ab 2010.
„Das ist eine Kriegserklärung der EU an das IASB“, sagte ein Insider. Es sei unklar, ob der Bilanzrat die Regeln noch einmal verändern werde. „Das wäre sehr ungewöhnlich“, sagte er. Beteiligte berichteten von turbulenten Verhandlungen vor der EU-Entscheidung. Grund ist eine tiefe Spaltung der Finanzindustrie über die vom IASB vorgeschlagene Vereinfachung bei der Bilanzierung von Finanzanlagen zum Marktwert.
Während Banken wie HSBC und Deutsche Bank sich eine Entlastung ihrer Bilanz erhoffen und für den neuen Standard lobbyierten, waren die Versicherer Allianz und Axa sowie die französische Großbank BNP Paribas dagegen. Entsprechend intervenierten sie bei ihren Regierungen und bei der EU-Kommission. Schließlich entschied Brüssel, die Umsetzung von IFRS 9 auszusetzen.
Zuletzt war das IASB den Versicherern und Banken in weiten Teilen entgegengekommen. Doch glauben Allianz und Axa, dass das IASB nicht weit genug gegangen ist. Andere Gesellschaften, etwa die italienische Generali, sind mit dem Erreichten eher zufrieden.
Einig sind sich die Versicherer in der Ablehnung des ursprünglichen IASB-Vorschlags, das Prinzip des Marktwertes bei Aktienanlagen der Versicherer durchzusetzen. Dagegen setzte sich die Assekuranz im Oktober durch. Das IASB entschied: Wertschwankungen bleiben außerhalb der Gewinn-und-Verlust-Rechnung, Dividenden dürfen verbucht werden.
Doch vor allem Allianz und Axa sind nicht zufrieden. Sie vermissen die Möglichkeit, auch Erträge aus dem Verkauf von Aktien als Gewinn verbuchen zu dürfen. Nur so könnten sie ihre Kunden wirklich an den Gewinnen aus Aktien beteiligen, argumentierten sie. Den Hauptgewinn mit Aktien mache man mit der Wertsteigerung, nicht den Dividenden.
Quelle: Financial Times Deutschland
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