Wie die Anbieter die steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen in den Griffbekommen wollen
Gesetzliche Kassen und private Krankenversicherer schauen der Kostensteigerung längst nicht mehr tatenlos zu. Sie wollen steuern, wie viel Geld wohin fließt. Im besten Fall steigert das die Qualität der medizinischen Versorgung. Im schlechtesten vergrault es die Kunden.
Das sogenannte Gesundheitsmanagement hat viele Seiten. „Das ist ein buntes Spektrum, das von der Prävention bis zur Rehabilitation reicht“, sagt Anke Schlieker, Projektleiterin Gesundheitsmanagement beim privaten Krankenversicherer (PKV) Hansemerkur. Im Wettbewerb können sich Unternehmen von der Konkurrenz durch gute Versorgungsangebote abheben.
Servicetelefone für Zielgruppen oder zu ausgewählten Krankheitsbildern gehören mittlerweile zum Standard. Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung oder systematische Behandlungsangebote für chronisch Kranke haben die meisten gesetzlichen und privaten Versicherer auf den Weg gebracht. Daneben gibt es unzählige Spezialprojekte. Die Krankenversicherer Debeka und Barmenia testen die Verblisterung von Medikamenten. Dabei packen Apotheker Arzneimittel für die Patienten in Tages- oder Wochenrationen ab. Damit können die Versicherer die Therapietreue ihrer Kunden erhöhen und Kosten durch Medikamentenfehlgebrauch senken. Die Hansemerkur gibt Vorsorgeschecks aus, um Versicherte zu präventiven Untersuchungen zu ermuntern, die sonst nicht zum Arzt gehen, weil sie auf Beitragsrückerstattung setzen.
Die Versicherer weisen zurück, dass es ihnen in erster Linie um die Ausgaben geht. Neben der Kostensenkung stünden auch Qualitätssicherung und besserer Service im Fokus, sagt Schlieker von der Hansemerkur. Bei den meisten Programmen seien Kassen und Privatversicherer aber nicht daran interessiert, Transparenz in die Projekte zu bringen, kritisiert der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. Deshalb sind Angebote – und Erfolge – kaum zu vergleichen. Eine wissenschaftliche Evaluation ist nicht möglich. Das wird sich in Zukunft ändern, erwartet Klaus Rupp, Fachbereichsleiter Versorgungsmanagement bei der Techniker Krankenkasse (TK). „Wir werden die Ergebnisse immer besser messen können, vor allem den Qualitätsaspekt.“
Angebote wie Gesundheitstelefone nennt Wasem „Gesundheitsmanagement light“. Da gehe es im Grunde mehr um Kundenzufriedenheit als um bessere Versorgung. „Wenn das Ganze eine gewisse Intensität erreichen soll, geht es nur in Zusammenarbeit mit den Leistungserbringern. Da reicht es nicht mehr, chronisch Kranke über ein Callcenter steuern zu wollen.“
Vorreiter der PKV-Branche in punkto Gesundheitsmanagement war die DKV. Das zur Ergo-Gruppe gehörende Unternehmen richtete privatärztliche Zentren namens „goMedus“ ein. Außerdem bietet es Tarife an, die Versicherten Zugang zu medizinischen Koryphäen verschaffen. Bekannt machte das Gesundheitsmanagement der DKV aber vor allem die rigide Kosten- und Rechnungskontrolle. Den Kunden gegenüber argumentiert der Versicherer, dies schütze sie vor Beitragssteigerungen durch unnötige Ausgaben. Doch bei vielen Privatpatienten und ihren Ärzten kam die Kürzung von Rechnungen nicht gut an. Kunden mögen es nicht, wenn der Versicherer mit ihrem Arzt um Geld streitet. Bei manchen Maßnahmen müsse der Versicherer aufpassen, es sich nicht mit den Versicherten zu verscherzen, warnt Wasem. „Einige Unternehmen haben erst ganz stark auf Kostenkontrolle gesetzt und danach Programme zur Kundenzufriedenheit aufgelegt.“
Der Versicherer muss beide Seiten überzeugen, betont TK-Experte Rupp. „Die Angebote müssen von Ärzten und Patienten angenommen werden.“ Ansonsten haben sie keine Zukunft. Auch die TK passt ihre Projekte immer wieder an. So ist die Versorgung mit homöopathischen Arzneimitteln nach Pilotversuchen bundesweit eingeführt worden.
Manchmal sind Versicherte mit einem Angebot zwar zufrieden, die Krankenkasse aber nicht. So stellt die TK zum 1. Januar 2010 als erster gesetzlicher Krankenversicherer die finanzielle Unterstützung von Gesundheitsreisen ein, erklärt Sabine Voermans, Leiterin Gesundheitsmanagement. Die Zielgruppe, zum Beispiel Schichtarbeiter, die in ihrem Alltag keine Möglichkeit haben, an Gesundheitskursen teilzunehmen, sei damit nicht erreicht worden.
Den Kassen biete Gesundheitsmanagement wegen des vom Gesetzgeber verordneten Einheitsbeitrags eine Chance, sich von Wettbewerbern abzuheben, sagt Rupp. Allerdings ist in einigen Bereichen Ernüchterung eingekehrt. Zu viele kleinteilige Verträge zwischen Versicherern und Leistungserbringern seien nicht mehr zu bewältigen, die Transaktionskosten seien viel zu hoch, sagt Ökonom Wasem. Um größere Projekte im Bereich Gesundheitsmanagement stemmen zu können, seien viele Krankenversicherer aus dem gesetzlichen und dem privaten Sektor einfach zu klein. „Das erhöht den Druck zu Zusammenschlüssen und Kooperationen.“
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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