Green Minds – Torsten JeworrekDie Wüste Afrikas als Steckdose für Europa: DerVorstand von Munich Re stößt mit seinen Solarplänen auch auf Kritik. Viel Geldund noch mehr Reputation stehen auf dem Spiel
von Herbert Fromme, München
Das hatte man in den altehrwürdigen Hallen der Münchener Rückversicherungsgesellschaft noch nicht erlebt: eine gemeinsame Pressekonferenz von nicht weniger als zwölf deutschen Konzernen – darunter Schwergewichte von ABB bis RWE, von der Deutschen Bank bis zu Siemens.
Mittendrin: Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied des weltgrößten Rückversicherers, der Munich Re. Jeworrek hat die Unternehmen zusammengetrommelt, die an diesem Sommertag im Juli ankündigen, ein Projekt biblischen Ausmaßes anzugehen. Die Initiatoren wollen bis 2015 bis zu 15 Prozent des europäischen Strombedarfs aus der Sahara decken. Desertec heißt das Projekt. Die Initiative will die Wüsten Nordafrikas mit gigantischen Sonnenkraftwerken zum Stromlieferanten machen – und damit das Klima von konventionellen Kraftwerken entlasten.
Jeworrek redet, moderiert, klärt auf. Der untersetzte 48-Jährige spricht mit dem leichten, nicht unangenehmen Dialekt seiner Heimatregion bei Magdeburg. Wechselt manchmal in ein hart betontes Englisch. Er kommt gut an bei der Veranstaltung. Auch wenn das Staatstragende und Diplomatische nicht seine Stärke ist. Am besten ist Jeworrek in zähen Verhandlungen mit Kunden oder im Schlagabtausch auf einer Podiumsdiskussion, wenn er direkt angegriffen wird.
Desertec ist umstritten. Kritiker werfen den Initiatoren neokoloniale Absichten und technische Naivität vor. Immer wieder gibt es auch Gerüchte, einige Partner seien nicht ernsthaft an Sonnenenergie interessiert. Vielmehr wollten sie nur das Projekt beobachten, um ihre eigenen kohle- und atomstromgetriebenen Interessen fördern zu können. Platzt Desertec, fällt das unweigerlich auf Munich Re und den umtriebigen Vorstand zurück.
Jeworrek hat sich schon früh Gedanken über die Umwelt gemacht – als Jugendlicher. Ungewöhnlich für einen Heranwachsenden aus der Gegend von Magdeburg. Schließlich war die DDR nur umweltfreundlich, wenn es dem sozialistischen Image dienlich war. „Da wurde uns der Trabi als sauberes Auto verkauft“, sagt Jeworrek. Der Manager erinnert sich an Besuche im Bitterfelder Dreieck mit seiner Chemieindustrie und an sein Unwohlsein im Angesicht der Dreckschleudern. „Ich habe immer gedacht, da muss man sich doch drum kümmern.“ Leidenschaftlich diskutiert er mit seinen Lehrern das Thema. Sein Wissen saugt er aus dem Westfernsehen.
Seinem Werdegang im Osten schadet das nicht. Er studiert Mathematik, arbeitet bis 1990 an der Universität Magdeburg. Als die innerdeutsche Grenze fällt, bewirbt sich Jeworrek bei der Munich Re. „Ich wusste nicht wirklich, was die machte“, sagt er heute. „Auf der Fahrt dahin hat mir meine Frau aus dem sozialistischen Lexikon den Eintrag über Rückversicherung vorgelesen.“ Der Konzern stellt auch die Ehefrau ein, ebenfalls Mathematikerin.
Jeworrek macht rasch Karriere in München. Seine frische Denkweise kommt an. Seit 2003 ist er im Vorstand und inzwischen verantwortlich für die gesamte Rückversicherung, also das Kerngeschäft. Die Initiativen zum Klima sind sein ganz persönliches Anliegen.
Bei Desertec sieht Jeworrek die Risiken, betrachtet sie aber eher als Ansporn. „Es ist eine große Herausforderung, so etwas zu managen und ganz verschiedene Unternehmen zusammenzubringen“, sagt er. „Noch spannender wird es dann, wenn die Politik dazukommt.“ Desertec und Munich Re haben keine offizielle Position zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken – der promovierte Mathematiker Jeworrek schon. „Wir sehen, dass Probleme ungelöst sind bei der Endlagerung von Abfall, vor allem aber bei der Endlichkeit des Urans.“ Der Rohstoff sei schlicht nicht ausreichend vorhanden, um darauf als Zukunftsenergie zu setzen.
Munich Re hat zusammen mit Weltbank, Allianz und weiteren Partnern eine Klimainitiative gestartet. „Das ist ein Versicherungskonzept für Länder, die den Klimawandel nicht verursacht haben, aber dadurch ihre Infrastruktur verlieren“, erläutert Jeworrek. „Sie brauchen ein Versicherungssystem, das den Wiederaufbau ermöglicht.“ Gespeist werden soll es durch Beiträge aus dem Zertifikatehandel in den Ländern, die mit ihren Emissionen den Klimawandel maßgeblich verursachen. Als Rückversicherer muss Munich Re sich mit Hurrikans, Erdbeben, Tsunamis oder Herbststürmen befassen – und tut das seit 35 Jahren mit einer eigenen Abteilung für Geowissenschaften. „Desertec ist Teil unserer grundsätzlichen Beschäftigung mit dem Klima“, sagt Jeworrek. Seit mehr als 20 Jahren warnt der Konzern vor dem Klimawandel – und musste sich gelegentlich vorhalten lassen, er tue das vor allem, um die Furcht vor Großschäden zu schüren und dadurch höhere Preise bei der Rückversicherung durchzusetzen.
Jeworrek hat in seinen 18 Jahren bei Munich Re diese Denkweise aufgesogen. Sie passt gut zu dem analytischen Ansatz, den er verfolgt und der ihm bei der Munich Re den spektakulären Aufstieg beschert hat.
Jede grüne Romantik und Naturesoterik ist Jeworrek fremd. „Ich bin ein rationaler Risikomanager“, sagt er. „Was wir der Natur und uns selbst antun, hat negative Auswirkungen auf unsere ureigensten Interessen.“ Deshalb müsse man handeln. Der Manager hält sich auch privat an seine Maximen. „Ich bin im Prinzip ein grüner Genussmensch.“ Das gerade gekaufte Haus in München-Grünwald hat mehr als 500 Quadratmeter für ihn, seine Frau und den Sohn. Doch sei das Haus klimatechnisch neutral. „Neues Glas, Dämmung, Solarthermieanlage, jetzt rüste ich die ganze Elektrik um“, sagt Jeworrek. „Ich bin ein Technikfreak. Der Einsatz modernster Technik für klimafreundliche Ziele, das reizt mich.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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