BaFin-Treffen mit hundert kleinen Versicherern · Umsetzungsprobleme beiSolvency II
Von Herbert Fromme, Köln
Vorstandsmitglieder von mehr als hundert kleinen deutschen Versicherern haben in einem Gespräch mit der Finanzaufsicht BaFin Änderungen an Solvency II angemahnt. Sie trafen sich auf Einladung der Aufsicht am Freitag mit Versicherungsaufsichtschef Thomas Steffen und anderen hochrangigen Beamten in Bonn, um die Konsequenzen der neuen europäischen Regeln für Eigenkapital und Risikomanagement für ihre Unternehmen zu erörtern.
Nach Angaben von Teilnehmern sind die meisten Versicherer im Kern für Solvency II, fürchten sich aber wegen des hohen Aufwands und größerer Kapitalanforderungen in ihrer Existenz bedroht. Die BaFin bestätigte das Treffen, wollte aber keine Einzelheiten nennen.
Das neue Regelwerk soll 2013 in Kraft treten. Eine Rahmenrichtlinie der EU liegt vor, zurzeit verhandeln die Versicherungsaufseher in der EU über die konkrete Umsetzung. Allianz, Munich Re und andere große Versicherer begrüßen prinzipiell die Umstellung auf paneuropäische Standards, an deren Ausarbeitung sie maßgeblich beteiligt waren. Ein Grund: Sie hoffen darauf, dass kleine Anbieter die höheren Anforderungen nicht überleben. Allerdings knirschte es in den vergangenen Monaten auch zwischen großen Gesellschaften und Aufsicht deutlich, weil die Branche eine allzu strenge Umsetzung der neuen Regeln befürchtet.
„Die Lage der kleinen Unternehmen wird in den Rahmenbedingungen, die durch Solvency II kommen, nicht ausreichend berücksichtigt“, kritisierte Jürgen Scheel, Chef der Kieler Rück, nach dem Treffen mit der BaFin am Freitag. Er ist geschäftsführender Vorstand des Verbands der Versicherungsvereine, der 157 Mitglieder hat. Scheel sagte, die Formeln zur Berechnung der Schadenrückstellungen beruhten im Wesentlichen auf den Erfahrungen der Großen und passten nicht auf die Kleinen.
Viele Gesellschaften sorgen sich darum, dass sie wegen der neuen Vorschriften zusätzliche Aktuare einstellen oder teure externe Berater beschäftigen müssen. „Die Berechnung der technischen Rückstellungen darf nicht zu komplex gestaltet werden“, sagte ein anderer Teilnehmer der Sitzung. Außerdem seien die Teilnehmer einmütig in der Forderung gewesen, den von kleinen Gesellschaften eingekauften Rückversicherungsschutz bei der Berechnung der Solvabilität einzubeziehen. „Sonst kann man in unserer Größenkategorie keine Sturmrisiken mehr versichern“, sagte er. „Wir würden so viel Eigenkapital dafür brauchen, dass sich das nicht lohnt.“
Die BaFin-Vertreter hätten Verständnis für die Einwände gezeigt und versprochen, die Punkte in die Diskussion unter den Aufsehern auf Ebene der Europäischen Union einzubringen, hätten aber keine Zusagen gemacht, sagte Scheel. Das gleiche Versprechen machten die BaFin-Spitzenbeamten auch bei einem weiteren heißen Eisen: Nach den 2009 durch die Aufsicht erlassenen Mindestanforderungen an das Risikomanagement sind kleine Gesellschaften von der Verpflichtung befreit, einen Risikobericht zu erstellen und eine interne Revision vorzuhalten – die bei Gesellschaften mit nur zwei Vorständen und einer Handvoll Mitarbeiter wenig Sinn macht.
Allerdings gibt es diese Befreiungsmöglichkeit unter Solvency II nicht. Die BaFin-Vertreter hätten erklärt, eine solche Regelung sei möglicherweise auf EU-Ebene sehr schwer zu erreichen. Die Behörde prüft aber, ob der gesetzlich vorgeschriebene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hier nicht greifen kann – dann könne die deutsche Aufsichtsbehörde kleinen Gesellschaften die Ausnahme gestatten.
Scheel sagte, Solvency II könne für die Kleinen auch Chancen bedeuten, wenn die Umsetzung vernünftig verlaufe. Dazu gehöre auch die Kontinuität in der Aufsicht. „Ich habe für die momentane Diskussion über eine neue Struktur der Finanzaufsicht und damit der Versicherungsaufsicht kein Verständnis“, sagte er. „Es wäre eine Katastrophe, wenn mitten in der Umstellungsphase auf Solvency II unsere Ansprechpartner und die verantwortlichen Beamten in der Aufsicht wechseln würden.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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