Solvency II schüttelt Märkte durch

EU-weite Eigenkapitalregeln zwingen Versicherer ab 2012 zu neuerAnlagestrategie

Von Herbert Fromme, Frankfurt

Schlechte Zeiten für Pfandbriefe und andere gedeckte Anleihen (Covered Bonds), gute Aussichten für Staatsanleihen von Euro-Ländern sowie Firmenbeteiligungen: Das ist das Fazit von Andreas Kalusche, Versicherungsexperte der Investmentbank JP Morgan Chase, mit Blick auf die Solvency-II-Eigenkapitalregeln, die ab 2012 EU-weit für die Assekuranz gelten. Ab dann müssen die Versicherer ihre Finanzanlagen anders mit Kapital unterlegen als bisher, einige werden unattraktiver – oder müssen mehr Rendite abwerfen.

Allein deutsche Lebensversicherer haben mehr als 680 Mrd. Euro angelegt. Solvency II wird ihre Anlagestrategie verändern – und damit die Finanzmärkte insgesamt. Ausgerechnet für das deutsche Traditionsprodukt Pfandbrief sind Kalusches Prognosen schlechte Nachrichten. Er gilt als sichere Anlage mit stabiler Rendite auch in unruhigen Zeiten. „In der alten Welt von Solvency I war die Risikoeinschätzung von Pfandbriefen und anderen Covered Bonds bei den meisten Versicherungsgesellschaften ähnlich wie bei Staatsanleihen“, sagte Kalusche der FTD. „In der neuen Welt von Solvency II kosten nach dem jetzigen Stand der Kalibrierung Covered Bonds je nach Laufzeit rund zehn Prozent an Risikokapital, während Staatsanleihen zunächst keine Kapitalunterlegung erfordern.“ Damit gedeckte Anleihen als Anlage attraktiv bleiben, müssten sie höhere Renditen erzielen als Staatsanleihen. „Das ist im Preis heute nicht drin.“

Staatsanleihen mit einer Lücke zwischen ihrer Laufzeit und den Verpflichtungen, die sie abdecken, müssen nach Solvency II mit vier bis fünf Prozent Kapital unterlegt werden. Das heißt: Legt ein Versicherer 100 Mio. Euro in Staatsanleihen an, muss er 4 Mio. Euro bis 5 Mio. Euro Eigenkapital vorhalten. „Für eine Firmenanleihe mit gutem Rating sind es rund 15 Prozent, für Aktien 45 Prozent, für Beteiligungen an Private-Equity- und Hedge-Fonds 55 Prozent.“

Schon jetzt steigt die Nachfrage von Versicherern nach Anleihen von Italien, Spanien und Portugal – die angesichts der hohen Verschuldung dieser Länder derzeit als weitaus ausfallgefährdeter gelten als zum Beispiel deutsche Bundesanleihen. Zudem dringen die Versicherer auf Beteiligungen an Einzelunternehmen, zum Beispiel Stromnetze und andere Verteilertöchter von Energiefirmen. „Für Beteiligungen müssen Versicherer nur die Hälfte des Kapitals vorhalten wie für Aktien“, sagt Kalusche. Mit Blick auf Aktien ist er skeptisch, sieht aber Chancen, „wenn die Versicherer bei Aktien mit einer entsprechenden Rendite rechnen“.

Aktien gelten als renditeträchtiger als Staatsanleihen, aber auch riskanter – die Anlagepolitik der Versicherer könnte also tendenziell gefährlicher werden durch Solvency II. Aktien machten bei deutschen Versicherern selten mehr als 15 Prozent der Anlagen aus. Zurzeit liegt die Quote im Schnitt bei fünf Prozent.

Mit hektischen Änderungen der Anlagepolitik rechnet Kalusche zwar nicht. „Aber bei Neuanlagen müssen sie handeln, und sie berücksichtigen mögliche Auswirkungen von Solvency II bereits heute“, sagte Kalusche. „Das heißt, dass jährlich zwischen 80 Mrd. Euro und 100 Mrd. Euro aus festverzinslichen Papieren umgeschichtet werden.“

Quelle: Financial Times Deutschland

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