Kreditversicherer stehen zweifach unter Druck. Kunden und Aktionäre sind unzufrieden. Die Anbieter müssen neue Wege finden
VON Herbert Fromme
E s kommt nicht oft vor, dass eine so dezent im Hintergrund arbeitende Branche wie die Kreditversicherung im Mittelpunkt einer saftigen öffentlichen Auseinandersetzung steht. Doch genau das ist 2009 passiert. Plötzlich waren die Kreditversicherer neben den Banken schuld an Firmenpleiten und der Verschärfung der Krise. Die Versicherer hätten die Prämien deutlich erhöht, ihre Absicherungsvolumen aber verringert, kritisierte Werner Schnappauf, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. „Durch fehlende Kreditversicherung droht eine Unterbrechung der gesamten Lieferkette“, monierte Schnappauf. In den folgenden Monaten nahm die Kritik zu. „Viele Leute arbeiten ohne jegliche Kreditversicherung. Wir sitzen hier auf einem Fass, von dem noch niemand weiß, wieviel Pulver drin ist“, sagte Friedhelm Loh, Präsident des Elektrotechnik- und Elektronikverbandes ZVEI.
Die Kritik veranlasste die Bundesregierung schließlich, tätig zu werden. Das Bundeswirtschaftsministerium setzte ein Programm auf, unter dem Firmen eingeschränkte Deckungen durch private Kreditversicherer mit einem staatlichen Zusatzschutz ergänzen können.
Die Kreditversicherer hielten dagegen. Man könne ein brennendes Haus nicht versichern – und analog auch keine Lieferung an ein Unternehmen, dem das Wasser bis zum Hals steht und bei dem der Zahlungsausfall sehr wahrscheinlich ist. Die fünf großen Warenkreditversicherer Euler Hermes, Atradius, Coface, R+V und Zurich hätten 39 600 Verträge im inländischen Geschäft, nahezu das Niveau von Ende 2008, teilte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Dezember 2009 mit. Das versicherte inländische Handelsvolumen ging im selben Zeitraum um neun Prozent auf 259,1 Mrd.Euro zurück – im Wesentlichen eine Folge des Konjunktureinbruchs, argumentierte der Verband. Wenn weniger gehandelt werde, entstünden auch weniger Forderungen.
Mit diesen Argumenten wehrte sich die Branche gegen die staatliche Zusatzdeckung, sie sei überflüssig. Inzwischen verwalten die privaten Versicherer das bislang nur moderat genutzte System für die Regierung. Der Streit scheint beigelegt – einen klaren Sieger gibt es nicht.
Ernsthaft bestreiten können die Manager der Kreditversicherer nicht, dass sie rigider an die Risiken herangegangen sind. Man habe das Geschäft „deutlich restriktiver“ gezeichnet und das Engagement in riskanteren Geschäftsbereichen eingeschränkt, heißt es bei der Allianz mit Blick auf die Pariser Tochter Euler Hermes, den Weltmarktführer in der Kreditversicherung. Von „Risikominimierung“ spricht der Marktzweite Atradius in Amsterdam, der dennoch im Jahr 2009 einen Verlust von 113 Mio.Euro einfuhr. Euler Hermes kam mit einem Gewinneinbruch um 77 Prozent auf 19 Mio.Euro davon. Die Aktionäre der großen Kreditversicherer machten den Vorständen Druck, ihre Geschäftspolitik an die neue Risikosituation anzupassen – während Kunden und Politik Gegendruck ausübten. Die aktuelle Lage der Branche mag ein Grund sein, dass Swiss Re, Deutsche Bank und Sal. Oppenheim eine Option ziehen und ihre Anteile von 36 Prozent an Atradius dem spanischen Mehrheitseigner Grupo Occidental für die stolze Summe von 537 Mio.Euro verkaufen.
Im operativen Geschäft scheint das Gröbste überwunden. Bei den meisten Gesellschaften haben neue Annahmerichtlinien und Sparprogramme zu einer Entspannung geführt.
Jetzt müssen die Kreditversicherer mit einer neuen Herausforderung fertig werden. Sie müssen ihre Risikobeurteilung unabhängiger von der Vergangenheit machen. „Wenn man heute ein Unternehmen anhand der Bilanz von 2009 beurteilt, erhält man ein negatives Bild“, sagt Peter Ingenlath, Vorsitzender des Kreditversicherungsausschusses im GDV und stellvertretender Vorstandschef bei Atradius. „Die Kunst besteht darin zu beurteilen, wie sich das Unternehmen in der heutigen zaghaften Aufschwungphase schlagen wird,“ sagt Ingenlath. „Die Kreditversicherer schauen mehr in die Zukunft.“
Die Industrie ihrerseits hat auch aus dem Streit gelernt. In einzelnen Verbänden wird diskutiert, eine Transparenzpflicht der Kreditversicherer zu verlangen. Dann müssten die Gesellschaften gegenüber einem Unternehmen – das nicht ihr Kunde ist – offenlegen, dass sie dessen Beurteilung verschlechtern und damit Lieferungen an diese Firma verteuern oder unmöglich machen.
Für die Branche wäre eine solche Pflicht schwer zu schlucken, denn die Beurteilungen könnten wahrscheinlich juristisch angegriffen werden – und das Geschäftsmodell der Kreditversicherer bedrohen. Eine neue Runde im Streit Industrie versus Kreditversicherer ist eingeläutet.
Quelle: Financial Times Deutschland
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