Aktuare verteidigen Kapitalregeln

Versicherungsmathematiker sehen Verbesserung in genauerer Risikobewertung

Von Herbert Fromme, Bremen

Die deutschen Versicherungsmathematiker haben die künftig EU-weit geltenden Eigenkapitalvorschriften Solvency II gegen Kritik aus der Branche in Schutz genommen. „Das alte System Solvency I bildet viele Risiken gar nicht ab“, sagte Michael Renz, Vorstand des Versicherers Zurich und Vorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) auf der Jahrestagung in Bremen. Der DAV vertritt 3200 Versicherungsmathematiker. Die neuen Regeln erlauben nach Ansicht der Aktuare erstmals die saubere Bewertung aller Risiken.

Solvency II soll erst 2012 in Kraft treten, die Ausgestaltung steht noch nicht in allen Details fest. Viele Versicherer verhalten sich aber schon jetzt entsprechend. Eine Folge: Mehrere Konzerne haben in den vergangenen Monaten vermehrt in hochverzinste Staatsanleihen von Ländern wie Italien, Spanien, Portugal oder Griechenland investiert. Dafür müssen sie unter Solvency II weniger Eigenkapital vorhalten als für Anlagen in Aktien.

„Unternehmen machen das, weil sie heute schon die Methoden von Solvency II anwenden“, sagte Johannes Lörper, Vorstandsmitglied bei den Ergo-Lebensversicherern und stellvertretender DAV-Chef. Grundsätzlich gelten unter Solvency II Anleihen im Vergleich zu Aktien und Staatsanleihen im Vergleich zu Unternehmensanleihen als sicherer.

Vor allem bei mittelgroßen Versicherern gibt es zunehmende Verärgerung über das neue System, das auf einer EU-Richtlinie beruht und von Brüssel mithilfe der Versicherungsaufsichtsbehörden ausgestaltet wird. Vorstandschefs kritisieren es als zu komplex und befürchten, dass ihre Unternehmen deutlich mehr Eigenkapital benötigen.

Unter Solvency II müssen Versicherer nicht nur ihre Versicherungsgeschäfte, sondern auch ihre Kapitalanlagen mit Eigenkapital in unterschiedlicher Höhe unterlegen. Die Grundidee: Wer in riskantere Papieren anlegt, benötigt mehr Eigenkapital, um mögliche Verluste ausgleichen zu können. So sollen Kunden vor Unternehmenszusammenbrüchen geschützt werden.

Solvency II wird dazu führen, dass die klassische deutsche Lebensversicherung mit einer Garantie von zurzeit 2,25 Prozent auf den Sparbeitrag unter Druck gerät, erwarten die Aktuare. „Solche Garantien werden richtig teuer“, sagte Zurich-Vorstand Renz. Denn die neuen Regeln schreiben vor, dass auch Garantien mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. In anderen Ländern gebe es solche Garantien gar nicht mehr, dort tragen die Kunden das gesamte Kapitalanlagerisiko. „Wir kämpfen dafür, dass auch das deutsche Modell zu erträglichen Kosten noch möglich ist“, sagte Renz.

Quelle: Financial Times Deutschland

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