Wenn Banken mit Krediten knausern, bleibt oft nur eine Unternehmensanleihe.Die Börse Stuttgart hat ein spezielles Segment für Mittelstandsanleiheneingerichtet und verspricht faire Kursbildung
Für viele mittelständische Betriebe ist die Emission von Anleihen etwas Neues. Wer in der Vergangenheit bereits auf solche Papiere gesetzt hat, kam meist ohne die Börse aus und sammelte das Kapital in Eigenregie ein, oft mithilfe von Banken. „Auch wir haben unseren Kunden bislang meist von einer Börsennotierung abgeraten“, sagt Wolfgang Müller, Partner der Unternehmensberatung FMS aus München, die sich auf Mittelstandsfinanzierung spezialisiert hat. „Es gab einfach besondere Risiken, etwa was eine faire Kursbildung betrifft.“
Diese Bedenken seien durch das neue Segment der Börse Stuttgart mit dem Namen Bondm aber ausgeräumt. „Hier steht nicht der Mittelständler mit seiner 100-Millionen-Anleihe neben der Milliarden-Anleihe eines Großkonzerns“, sagt Müller. Bondm gewähre faire Kursbildung durch die integrierten Handelsüberwachungsinstrumente, und Markttransparenz durch das betreute Handelsbuch.
Deshalb hat FMS nicht nur ein technisches Werkzeug zur Zeichnung von Ordern beigesteuert, sondern agiert künftig auch als Coach für Unternehmen, die ihre Anleihe in Stuttgart listen lassen wollen.
Sich von einem von der Börse zugelassenen Coach beraten zu lassen, gehört zu den Voraussetzungen für eine Teilnahme bei Bondm. Der Berater schaut, ob das Unternehmen und seine Pläne sich überhaupt für die Börse eignen. Wird die Anleihe erst einmal gehandelt, gehören Halbjahres- und Jahresberichte sowie eine Ad-hoc-Mitteilung bei wichtigen Ereignissen zu den Pflichten der Unternehmen. Auch die Einhaltung dieser Pflichten überwacht der Coach.
„Wir richten uns mit Bondm eher an das produzierende und industrienahe Gewerbe“, sagt Christoph Lammersdorf, Chef der Börse Stuttgart. „Auch kleinere, in ihrem Bereich führende Unternehmen mit hohen Marktanteilen und einer sehr guten Reputation oder Marke sind geeignet.“ Im vergangenen Jahr haben deutsche Firmen nach Angaben der Börse rund 170 Anleihen mit einem Gesamtwert von 116 Mrd.Euro emittiert. „Wir haben das Segment gestartet, weil wir von einem dauerhaften Refinanzierungsbedarf mittelständischer Unternehmen ausgehen“, sagt Lammersdorf. Die obere Grenze für eine Anleihe im Bondm-Segment sind 150 Mio. Euro.
Das Segment der Regionalbörse soll nicht nur für süddeutsche Betriebe attraktiv sein. Doch die beiden Premierenteilnehmer kommen tatsächlich beide aus Baden-Württemberg. Zum einen ist dies das Windkraftunternehmen Windreich, zum anderen der börsennotierte Automobilzulieferer Dürr.
Schon 2004 ging Dürr mit einer Anleihe über 200 Mio.Euro an den Markt. „Wir lassen uns mit der bestehenden Anleihe im neuen Börsensegment Bondm listen und sehen uns damit als Vorreiter für mittelständische Unternehmen, denen bisher ein alternativer Finanzweg verwehrt oder auch zu teuer war“, sagt Finanzchef Ralph Heuwing. „Außerdem wollen wir auf diesem Wege Privatinvestoren auf unsere Anleihe aufmerksam machen.“
Auch wenn eine neue Anleihe anstehe, verspreche sich Dürr von Bondm eine kostengünstige Erweiterung der bisherigen Vertriebskanäle. „Der Mittelstand wartet auf solche Alternativen wie Bondm, da ihm andere Finanzierungsformen wie eine Aktienemission oder Mezzanine praktisch nicht mehr zur Verfügung stehen“, sagt Heuwing. „Allerdings müssen sich Mittelständler auch mit höheren Transparenzpflichten anfreunden.“ Dieses Gebot sei aber nicht nur auf börsennotierte Unternehmen beschränkt, ergänzt Günter Jucho, geschäftsführender Gesellschafter beim Berliner Beratungsunternehmen Jucho & Coll. Deutsche Industrieanleihen. Seit der Reform des Wertpapierprospektrechts 2005 müssten die Firmen vor der Emission einer Anleihe grundsätzlich für sich entscheiden, ob sie bereit sind, bestimmte Unternehmensdaten in einem Prospekt zu veröffentlichen, der auch von der Finanzaufsicht zugelassen werden muss. Daran scheitere mancher Plan.
Für den zweiten Pionier Windreich waren die Transparenzanforderungen kein Hindernis. „Wenn sie als Emittent nicht in der Lage sind, das Vertrauen der Anleger zu gewinnen, werden sie ihre Anlage kaum platzieren können“, sagt der Vorstandsvorsitzende Walter Döring. „Transparenz ist aus unserer Sicht der Schlüssel für den erfolgreichen Vertrieb von Unternehmensanleihen.“ Zwar verursache die Börsennotierung auch Kosten. „Aber die Frage ist vielmehr, welche Vertriebsform bei möglichst niedrigen Kosten einen hohen Erfolg verspricht.“ Und da setzt das Unternehmen große Hoffnungen auf Stuttgart. So geht es mit einer seiner drei Anleihen bereits während der Platzierungsphase an die Börse und testet damit die Resonanz des neuen Vertriebsweges.
Die Handelbarkeit von Anleihen wird immer wichtiger, glauben die Unterstützer des Projektes. „Der Anleger möchte sich nicht mehr lange binden“, sagt Berater Müller. Privatinvestoren, die bislang Anleihen zeichneten und bis zum Ende der Laufzeit behielten, wollten heute immer häufiger die Möglichkeit zum vorzeitigen Ausstieg haben. Eine Handelbarkeit mache das Papier aber auch für institutionelle Investoren interessanter, die oft nur Produkte in ihre Bücher nehmen können, die auch jederzeit wieder zu veräußern sind.
Trotz der Vorteile gelte weiterhin: „Mit der Brechstange an die Börse zu wollen wäre falsch. Es macht nur selektiv Sinn“, sagt Müller. Es komme immer auf den Einzelfall an. So hält FMS generell Anleihen mit einem Volumen von weniger als 50 Mio.Euro nicht für börsentauglich.
Obwohl alle Voraussetzungen mitunter erfüllt seien, zögerten die Firmen vor dem Schritt. Viele mittelständische Unternehmer hätten oft noch eine instinktive Abneigung gegenüber der Börse, sagt Müller. Dahinter stecken noch schlechte Erfahrungen beim Zusammenbruch des Neuen Marktes. „Die ideologische Hemmschwelle muss man gerade bei kleineren noch überspringen.“
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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