Kunden können sich beim Ombudsmann oder der BaFin über Versicherer beschweren· Rund ein Drittel ist damit erfolgreich
VON Ilse Schlingensiepen
War es ein Hörfehler, die unleserliche Schrift oder doch der originelle Versuch, den Versicherer übers Ohr zu hauen? Auf dem Tisch von Versicherungsombudsmann Günter Hirsch landete vergangenes Jahr die Beschwerde eines Kunden, der eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen hatte.
Als der Mann berufsunfähig wurde, weigerte sich das Unternehmen zu zahlen. Der Versicherte hatte bei den obligatorischen Gesundheitsfragen als Vorerkrankung lediglich zwei Grippeerkrankungen angegeben, nicht aber seine schweren Bandscheiben- und Knochenerkrankungen. Das bestritt der Kunde allerdings. Er behauptete, ausdrücklich auf Beschwerden am „Gerippe“ hingewiesen zu haben. Der Vermittler habe das aber missverstanden und „Grippe“ aufgeschrieben. „Dieser Argumentation war kein Erfolg beschieden“, berichtet der Ombudsmann.
Bei der Beschwerde war der Misserfolg wahrscheinlich programmiert. In vielen Fällen lohnt es sich aber für Versicherungskunden, Ärger nicht einfach klaglos runterzuschlucken. Wer sich von Versicherern schlecht behandelt oder über den Tisch gezogen fühlt, kann sich seit Oktober 2001 an den Versicherungsombudsmann wenden. Er ist Schlichter für alle Sparten mit Ausnahme der privaten Krankenversicherung (PKV) – für sie ist der PKV-Ombudsmann zuständig.
Bei Versicherungsombudsmann Hirsch sind allein im vergangenen Jahr 18 145 Beschwerden gegen Unternehmen oder Vermittler eingegangen. Von ihnen waren 12 371 zulässig. Sein PKV-Pendant Helmut Müller registrierte 2009 insgesamt 5015 Eingaben, davon 4583 zulässige. Außerdem landeten noch 14 274 Beschwerden über Versicherungsunternehmen bei der Finanzaufsicht BaFin.
Die BaFin prüft, ob Versicherungsunternehmen gegen Aufsichtsvorschriften verstoßen haben. Ist das der Fall, ermahnen die Aufseher den betroffenen Versicherer und fordern ihn auf, in Zukunft Abhilfe zu schaffen. Das nützt dem betroffenen Kunden zwar nichts. Manchmal bringt aber schon der Hinweis auf eine Beschwerde bei der BaFin die Versicherer zum Einlenken. Der Grund: Die Aufsicht veröffentlicht jedes Jahr, wie viele Beschwerden gegen die einzelnen Unternehmen eingereicht wurden.
Ziel des Ombudsmanns ist es, bei Streitfällen zwischen Kunde und Unternehmen zu vermitteln. Gelingt das nicht, kann er bis zu einem Streitwert von 5000 Euro eine Entscheidung fällen, an die der Versicherer gebunden ist – vorausgesetzt er ist Mitglied im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), was bei rund 95 Prozent des Marktes der Fall ist.
Bis zu einem Streitwert von 80 000 Euro kann der Ombudsmann eine Empfehlung geben. Der PKV-Schlichter dagegen kann keine bindende Entscheidung fällen, sondern nur eine Empfehlung aussprechen. Kommt es nach der gescheiterten Schlichtung zu gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem Versicherer, können die juristisch fundierten Empfehlungen dem Kunden nützlich sein.
„Wer zivilrechtlich etwas erreichen will, sollte sich an den Ombudsmann wenden, nicht an die BaFin“, sagt Lars Gatschke, Versicherungsspezialist beim Verbraucherzentrale Bundesverband. „Der Ombudsmann ist die wirksamere Adresse.“ Viele Unternehmen folgten den Empfehlungen der Schlichter. Gatschke sieht es als Nachteil, dass nicht alle Anbieter dem GDV und damit dem Verein angehören, der den Versicherungsombudsmann finanziert.
Die Versicherer des Automobilklubs ADAC etwa sind nicht mit von der Partie. Ob ihr Anbieter am Schlichtungsverfahren teilnimmt, können Versicherte in den Produktinformationsblättern sehen, die Unternehmen ihren Kunden aushändigen müssen.
Gatschke betrachtet es als großen Vorteil des Ombudsmannsystems, dass die Beschwerde die Verjährungsfrist eines Anspruchs um die Dauer des Schiedsverfahrens verlängert. „Damit verschaffe ich mir als Versicherter Luft, wenn ich die Frage klären will, ob ich vor Gericht ziehe oder nicht“, sagt er.
Scheitert ein Kunde mit seiner Beschwerde, muss ihn das nicht automatisch von einer Klage abhalten. Schließlich könne der Schiedsmann keine Beweiserhebung durchführen, sagt Gatschke. „Er kann nicht durchrechnen, ob eine Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung wirklich korrekt ist, sondern nur ob sie nachvollziehbar ist.“ Auch könne sich der Ombudsmann in seiner Spruchpraxis nur auf die bisherige Rechtsprechung stützen, aber keine Entwicklungen antizipieren. „Gerade durch das neue Versicherungsvertragsgesetz sind viele Rechtsaspekte bislang noch nicht grundsätzlich geklärt“, betont Gatschke.
Wenn die Rechtslage eindeutig ist und der Ombudsmann etwa in der Schaden-/Unfallversicherung feststellt, dass kein Anspruch eines Versicherten besteht, bringe es wenig, vor Gericht zu ziehen. „Ob eine Klage nach einem gescheiterten Schiedsverfahren Sinn macht, hängt vom Einzelfall ab“, sagt er.
Im vergangenen Jahr endeten 37,6 Prozent aller zulässigen Beschwerden beim Versicherungsombudsmann und 25,1 Prozent beim PKV-Ombudsmann mit einem Erfolg für die Versicherten. In der Lebensversicherung betrug die Erfolgsquote allerdings nur 18,1 Prozent. Auch bei der BaFin gingen mit 33,7 Prozent ein Drittel der Verfahren im Sinne der Kunden aus.
Quelle: Financial Times Deutschland
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