Jahrzehntelang behandelte die Familie List den Versicherer Inter wie ihrPrivateigentum. Doch jetzt ist die Macht des Clans gebrochen
Herbert Fromme
Das Jagdrevier liegt in Österreich und hat unter Fachleuten einen guten Ruf. Eigner der Stätte edlen Waidwerks ist der kleine Versicherer Inter in Mannheim. Die meisten Nutzer des Freizeitgebiets haben denselben Nachnamen. Sie gehören alle zur Familie List.
Das Revier hatte sich Inter unter ihrem langjährigen Chef Jürgen List zugelegt, der bis 1996 den Versicherer leitete. Als Begründung wurde die Kundenpflege angegeben. Schließlich ist Inter auch heute noch in Deutschland der zweitgrößte Jagdversicherer. Kein Wort davon, dass die Jagd auch die wichtigste Freizeitbeschäftigung für List senior ist. Ganz im Stil osteuropäischer Machthaber der 80er-Jahre ließ List das Revier wie seinen Privatbesitz führen.
Eigentlich ist Inter ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, gehört also seinen Versicherten. Doch von effektiver Kontrolle durch Mitgliedervertretung und Aufsichtsrat konnte keine Rede sein, List installierte ihm genehme Aufsichtsräte und gestattete sich und seiner Familie jede Menge Freiheiten – zulasten von Inter, das mit 800 Mio. Euro Prämie und niedrigen Gewinnen eher ein schwachbrüstiges Assekuranzunternehmen ist.
Im Jahr 1996 wechselte List in den Aufsichtsrat. An seiner Macht über das Unternehmen änderte sich nichts. Die Vorstände blieben blass und führten Lists Anweisungen aus. Der heute 84-Jährige blieb bis Ende 2009 Vorsitzender des Gremiums, er wollte partout nicht loslassen. Vergangenes Jahr stellte er eine erstaunliche Bedingung: Er werde nur dann den Aufsichtsrat verlassen, wenn seine Söhne Thomas und Michael – beide bereits im Management – zu Vorständen bei Unternehmen der verschachtelten Inter-Gruppe ernannt würden.
Mitgliedervertretung und Aufsichtsrat von Inter ließen sich auf den Deal ein, die BaFin genehmigte die Personalie zähneknirschend. Doch jetzt scheint die Macht der Familie List gebrochen. Der jüngere Sohn Michael, 53, muss nach FTD-Informationen den Vorstand von Inter Allgemeine verlassen. An seinen Qualitäten als Versicherungsfachmann und Führungskraft gab es offenbar große Zweifel. Sein Bruder Thomas List, 59, bleibt dagegen in den Chefgremien von Inter Kranken und Inter Leben.
Den Abgang von Michael List hat Peter Thomas zu verantworten, 58 Jahre alt und seit Anfang des Jahres Vorstandschef von Inter. Thomas war vorher Chef des Hamburger Versicherers Condor, den die Oetker-Gruppe 2009 an R+V verkaufte. Thomas hatte bei Oetker offenbar gelernt, mit Patriarchen umzugehen. Jürgen List hatte den Mann aus Hamburg geholt, betrachtet ihn inzwischen aber als Todfeind und weigert sich, mit ihm auch nur ein Wort zu wechseln.
Doch der Inter-Aufsichtsrat ist inzwischen aufgewacht. Aus dem Gremium hört man, Thomas habe die Aufsichtsräte über ihre Haftung bei möglichen Pflichtverletzungen informiert. „Blasse Gesichter waren die Folge“, sagte ein Insider.
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo