Versicherer scheuen Aktien

Schwankungen der Kurse kosten die Assekuranz viel Eigenkapital · Nur wenige wollen Dividendentitel zukaufen

Von Herbert Fromme, Köln

Die deutschen Versicherer fallen auf absehbare Zeit als aktive Antreiber des Aktienmarkts aus. Das ergab eine Umfrage der FTD bei fünf der größten Gesellschaften. Nur in sehr bescheidenem Umfang wollen einige Assekuranzmanager ihre Aktienbestände wieder hochfahren.

Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re hatte Ende März 192 Mrd. Euro angelegt, davon nur 3,1 Prozent in Aktien. „Wir bauen unsere Aktienquote behutsam aus“, sagte Finanzvorstand Jörg Schneider. „Für uns liegt die Schwelle bei der Aktienquote grob gegriffen bei etwas über fünf Prozent.“ Er nannte das Hauptproblem für Anlagen in Dividendentiteln: „Sie verursachen für Versicherer hohe Kapitalkosten, denn Aktienkurse schwanken heftig.“

Nach den Risikomodellen für Versicherer, die mit den EU-Eigenkapitalregeln Solvency II ab 2013 verpflichtend werden, benötigt eine Gesellschaft wegen der Schwankungen rund 40 Prozent Eigenkapitalunterlegung, wenn sie in Aktien investiert – aber höchstens vier Prozent bei EuroStaatsanleihen. Munich Re und andere Konzerne steuern heute schon nach solchen Systemen.

Die Versicherer gehören zu den größten Kapitalsammlern des Landes. Bewegt die Assekuranz ihre Aktienquote nur um drei Prozentpunkte hoch oder hinunter, sind das fast 40 Mrd. Euro – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Kurse. Ende der 90er-Jahre war der Hunger der Versicherer nach Aktien eine Ursache der großen Marktblase, die dann ab 2001 platzte. Damals verbrannte sich die Branche die Finger mit Aktienquoten von 20 Prozent und mehr.

Daraus hat sie gelernt. Die Allianz hat ihre Aktienquote wegen der aktuellen Krise auf sieben Prozent der weltweit 427 Mrd. Euro Kapitalanlagen heruntergefahren. Ende 2007 waren es noch 18 Prozent. „Wir sehen keinen Grund, über unseren aktuellen Stand hinaus zuzukaufen“, sagte ein Sprecher.

Die Prognosen für die Märkte seien ungewöhnlich unsicher. Schließlich habe sich die Werthaltigkeit von Unternehmensanleihen, Pfandbriefen und Immobilien erhöht. „Aktieninvestitionen erscheinen aus relativer Sicht derzeit weniger attraktiv.“

Talanx ist noch defensiver – hier betrug die Aktienquote Ende Mai 2010 nur 1,6 Prozent, verglichen mit 2,8 Prozent vor zwei Jahren. Der Konzern erwartet auch künftig positive Diversifizierungseigenschaften der Aktien, scheut aber angesichts von Solvency II die hohe Volatilität.

Axa Deutschland besaß Ende Mai 4,1 Prozent der 61 Mrd. Euro Anlagen in Aktien, davon waren 1,2 Punkte abgesichert. „Grundsätzlich halten wir die Aktienquote derzeit konstant“, sagte ein Sprecher.

Die deutsche Tochter der italienischen Generali hat genau fünf Prozent des Bestands in Aktien. „Wir planen keinen aktiven Ausbau, je nach Marktentwicklung ist auch ein Abbau denkbar“, sagte eine Sprecherin.

Wegen der niedrigen Zinsen bringt aber langfristig der Verzicht auf Aktien und das darin liegenden Gewinnpotenzial die Versicherer in ein Dilemma. In der Lebensversicherung, auf die rund die Hälfte der Kapitalanlagen entfällt, müssen sie ihren Kunden Jahr für Jahr garantierte 3,4 Prozent gutschreiben. Aber selbst mit zehn Jahre laufenden Bundesanleihen erzielen sie heute weniger als 2,5 Prozent. Deshalb sucht die Branche verzweifelt nach höher verzinsten Neuanlagen. Munich Re hat sie nach eigenen Angaben gefunden: MEAG, der Assetmanager der Munich Re, habe bei Unternehmensanleihen eine Performance über das Jahr von rund 14 Prozent erreicht, sagte Finanzchef Schneider. „Solche Chancen tun sich in den volatil gewordenen Märkten immer wieder auf.“

Quelle: Financial Times Deutschland

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