Anleger mussten rund 200 Schiffsfonds stützen. Jetzt fahren viele Frachterwieder. Doch die Krise ist noch nicht ausgestanden
Die Pleite des kleinen Mehrzweckschiffs Lehmann Forester lässt 148 Anleger um ihr Geld zittern. Im Juli musste der Fonds des Elbe Emissionshauses EEH Insolvenz anmelden, jetzt hat der Hauptgläubiger die Zwangsvollstreckung angestrengt. Das Schiff war von Anfang an vom Unglück verfolgt: verspätete Ablieferung, geplatzter Chartervertrag, Unfälle, fehlende Wartung. Auch andere Fonds leiden Not. Ihre Probleme sind typischerweise andere, doch die Auswirkungen für die Anleger sind die gleichen. Die Zeiten der Unsicherheit für die Investoren von Schiffsbeteiligungen sind noch nicht vorbei.
Seit die Finanzkrise auf die Schifffahrtsmärkte durchschlug, Frachter ohne Beschäftigung und damit ohne Einnahmen blieben, mussten rund 200 Fonds saniert werden, sagt Matthias Brinckman, Geschäftsführer der Deutschen Fondsresearch. Seine Analysten haben weitere 50 bis 60 Fonds auf dem Schirm, die noch Probleme bekommen könnten. „Wir können weitere Insolvenzen nicht ausschließen, aber sie sind nicht wahrscheinlich.“
Künftige Probleme seien einfacher zu lösen als die bisherigen, erwartet Brinckman. So hätten gerade erst zwei Fonds ihren Liquiditätsengpass durch Betriebsmittelkredite der Bank überbrücken können. „Die Banken werden in manchen Fällen wieder lockerer.“ Vor wenigen Monaten war das noch undenkbar. Die Finanzinstitute stellten kein neues Geld für Schiffsbeteiligungen mehr bereit. Zahlen mussten die Anleger der Fonds.
Aus der Finanznot entstand auch ein neues Geschäftsmodell. So legten einige Emissionshäuser Fonds auf, die frisches Kapital zu Vorzugskonditionen für eigene und fremde Beteiligungen zur Verfügung stellen. Laut dem Verband Geschlossene Fonds (VGF) flossen im zweiten Quartal 2010 rund 73 Mio. Euro in solche Modelle.
Nach Berechnungen des Emissionshauses Nordcapital liegt der durch die Krise verursachte Kapitalbedarf deutscher Schiffsfonds bei rund 500 Mio. Euro. Davon sind bereits rund 300 Mio. Euro gesichert. 60 Prozent stammen von den Altinvestoren der Fonds, 40 Prozent von neuen Geldgebern. „Ein positives Zeichen, zumal inzwischen häufig mehr Eigenkapital zur Verfügung steht, als benötigt wird“, sagt Nordcapital-Geschäftsführer Reiner Seelheim.
Auf eine Restrukturierung des Fonds der Lehmann Forester hofft auch EEH noch. Zwar ist die Versteigerung auf Betreiben der Volksbank Kehdingen, die neben den Investoren für die Finanzierung des Schiffes gesorgt hat, für den 17. November angesetzt. Das Emissionshaus hat die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben, die Auktion verhindern und den Fonds fortführen zu können. „Die unverzügliche Beantragung eines Auktionstermins ist aus zeitlicher Sicht nachvollziehbar“, sagt Torben Wagner von EEH. „Aber wir sind der Meinung, dass es Lösungen gibt, bei denen alle Beteiligten besser stünden.“ Tatsächlich erwartet die Branche, dass Banken bei notleidenden Fonds auf den Verkauf der Schiffe dringen, wenn ein guter Preis zu erzielen ist. Eine Versteigerung dürfte aber kaum den höchsten Erlös bringen.
Ob es weitere Fälle dieser Art gibt, hängt von der Entwicklung der Märkte ab. Momentan verdienen Schiffe wieder deutlich mehr Geld als noch zu Jahresbeginn. „Trotzdem hat sich die Lage noch nicht entspannt“, sagt Nordcapital-Chef Seelheim. „Zwar haben die Charterraten sehr schnell wieder angezogen, deren Nachhaltigkeit muss sich jedoch erst noch beweisen.“
Diese Einschätzung teilt Michael Axhausen, Restrukturierungsexperte bei KPMG. „Wir wissen alle nicht, ob der Trend sich so fortsetzt.“ Obwohl die Raten und damit die Einnahmen der Schiffe sich bereits deutlich erholt haben, könnten viele gerade einmal ihre Betriebskosten und Zinszahlungen an die Bank decken, von der Tilgung seien sie noch weit entfernt. „Aber wir sehen das Licht am Ende des Tunnels.“
Als Folge der Krise erwartet KPMG eine Konsolidierung bei den Emissionshäusern – nicht durch die Pleite von Initiatoren, sondern durch Zusammenschlüsse oder die Aufgabe wegen fehlenden Neugeschäfts. Denn bei einigen Emittenten und besonders ihren Partnern auf der Reederseite fehle es schlicht an notwendigem Handwerkszeug. Das zeige sich etwa bei den deutlichen Unterschieden in den Betriebskosten von Schiffen. „Da müssen auch die Anleger schauen, dass die operativen Kosten einem Vergleich standhalten können“, sagt Axhausen.
Katrin Berkenkopf
Quelle: Financial Times Deutschland
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