Die privaten Krankenversicherer profitieren zwar von der Gesundheitsreform.Den großen Run auf das Neugeschäft hat sie bislang aber nicht ausgelöst
Ilse Schlingensiepen
Die privaten Krankenversicherer (PKV) gelten in den öffentlichen Debatten als die Gewinner der Gesundheitsreform. Die Bundesregierung hat Regelungen verabschiedet, die der Branche das Leben erleichtern. Doch das reicht den Unternehmen nicht. In bare Münze schlagen sich die Veränderungen noch nicht nieder.
In die PKV können nur Beamte und Selbstständige gehen sowie Angestellte, die mehr als die Versicherungspflichtgrenze verdienen, 2010 sind das 49 950 Euro. Zurzeit sind 8,8 Millionen Menschen privat versichert.
Die Regierung hat die Versicherungspflichtgrenze zum 1. Januar um 50 Euro gesenkt. Gleichzeitig hat sie dafür gesorgt, dass Angestellte wieder in die PKV wechseln können, wenn ihr Einkommen ein Jahr lang über der Versicherungspflichtgrenze liegt. Die Große Koalition hatte diesen Zeitraum auf drei Jahre erhöht.
„Seit Jahresanfang verspüren wir eine große, gestiegene Nachfrage nach privaten Krankenversicherungen“, sagt Clemens Keller, Leiter Krankenversicherung beim Finanzvertrieb MLP. Einen Grund sieht er in den öffentlichen Diskussionen über die gesetzlichen Krankenkassen. „Viele Leute haben Angst davor, dass Leistungen gestrichen werden und gleichzeitig die Beiträge steigen“, sagt Keller.
Im Moment kommen vor allem Kunden, die ohnehin schon länger mit der PKV liebäugeln, berichtet Keller. Viele hatten in der Vergangenheit Optionstarife gekauft: Sie bieten gegen einen vergleichsweise geringen Beitrag die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt ohne erneute Gesundheitsprüfung eine private Voll- oder Zusatzversicherung abzuschließen. MLP vermittelt seit 1994 solche Optionstarife, verstärkt seit 2007. „2008 und 2009 haben wegen der dreijährigen Wartezeit nur wenige Kunden die Option gezogen, jetzt werden es wieder mehr“, sagt der MLP-Mann.
Eberhard Reinhold Sautter, Vorstand der Hansemerkur Krankenversicherung, erwartet für sein Unternehmen zwar für dieses Jahr ein starkes Wachstum. „Das liegt aber nicht an den politischen Vorgaben, sondern an unseren Produkten und dem Vertrieb.“
Die politischen Änderungen lösen keinen Boom aus, schätzt Uwe Laue, Chef des Branchenschwergewichts Debeka. „Dadurch wird der Branche keine wirklich neue Klientel erschlossen“, sagt Laue. „Das sähe anders aus, wenn die Versicherungspflichtgrenze um 10 000 Euro gesenkt worden wäre.“ Laue geht zumindest für sein Unternehmen davon aus, dass 2010 ähnlich verlaufen wird wie das Vorjahr.
Auch Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbands, erwartet für 2010 kein besonderes Wachstum für die Branche. Mittelfristig werde sich das neue politische Klima aber positiv auswirken: „Wir haben ein Bekenntnis der Regierung zur PKV, das gab es vorher nicht.“
Leienbach begrüßt, dass Schwarz-Gelb den Privaten jetzt erlaubt, von den Rabattverträgen zu profitieren, die die gesetzlichen Kassen mit der Pharmaindustrie aushandeln. Von den damit erzielten Einsparungen der Privaten werden die Kunden profitieren, weil die Unternehmen dank ihrer die Beiträge später anheben als geplant.
Die häufigen Prämienerhöhungen sind ein wunder Punkt der Branche. Gerade die Aussicht, nach dem Abschluss einer einstmals günstigen privaten Krankenversicherung ständig steigende Beiträge zahlen zu müssen, hat in der Vergangenheit viele Kunden vom Abschluss einer privaten Krankenversicherung abgehalten.
Quelle: Financial Times Deutschland
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