Deutsche Reedereien müssen normale Unternehmen werden – sonst geht der Booman ihnen vorbei
Patrick Hagen
Die Schifffahrt hat eine der tiefsten Krisen ihrer Geschichte überwunden. Vor einem Jahr stand es schlecht um die großen Reedereien vom Schlage Hapag-Lloyd oder Maersk. Doch das Bild hat sich gewandelt. Im Jahr 2010 fuhren die Linienreedereien zusammen ein Rekordergebnis von rund 13 Mrd. Dollar ein. 2009 hatten dieselben Unternehmen noch rund 15 Mrd. Dollar Verluste aufgehäuft.
Seit Jahrhunderten ist die Schifffahrt besonders zyklisch, liegen Rekordgewinn und Pleite dicht beieinander. Die Branche spiegelt wie kaum eine andere die Lage der Weltwirtschaft wider. Zurzeit geht die globale Konjunktur aufwärts, da boomt die Nachfrage nach Transportraum.
Wie verlockend wäre es da, nach altem Modell fortzufahren. Doch gerade für die deutsche Schifffahrt wäre es fatal anzunehmen, sie könne so weitermachen, als wäre nichts gewesen. Die deutschen Reeder haben 2009 mehr als eine besonders tiefe Delle in einer ansonsten erfolgreichen Geschichte erlitten. Für große Teile der hiesigen Schifffahrt bedeutet die Krise das Ende des Geschäftsmodells.
Sicher, deutsche Reeder kontrollieren die weltgrößte Containerschiffsflotte. Dass sie diese Position aufbauen konnten, beruhte aber nicht nur auf ihrer Geschäftstüchtigkeit, sondern hatte auch andere Gründe: Zum einen kam Unterstützung von der Politik. Wichtiger noch waren aber Privatanleger und Banken, die für die Schiffe bereitwillig Kredite gaben. Dieses äußerst fruchtbare Biotop gibt es seit der Krise nicht mehr. Anleger schrecken vor Schiffsfonds zurück. Schlimmer noch: Das Geld der Banken fließt nicht mehr und wird auf absehbare Zeit auch nicht mehr fließen. Auch die Begeisterung der Politik kühlte ab. Damit wankt die Führungsposition deutscher Reeder in der Containerschifffahrt.
Der Containerfrachter, der am Hamburger Burchardkai Stahlboxen aus Fernost ablädt, ist nicht einfach ein Schiff. Es ist ein komplexes Eigentums- und Kapitalanlagemodell: Gefahren wird es von einer Linienreederei, deren Farben auch den Schornstein zieren. Das Schiff gehört dem Linienreeder in der Hälfte der Fälle aber nicht. Es steht in der Bilanz eines deutschen Schiffsfonds oder eines sogenannten Trampreeders. Solche Unternehmen leben nur vom Vermieten von Schiffen und fahren selbst keine Ladung.
Mitte 2010 kontrollierten deutsche Eigner 1742 Containerschiffe – mehr als ein Drittel der Weltflotte. Vier Jahre zuvor waren es noch rund 600 weniger. Die Reeder konnten ihre Flotten nur aus einem Grund so aufblähen: Den Großteil des Risikos wälzten sie auf Privatanleger und Banken ab.
Von den imposanten Flottenlisten der Rickmers-Brüder oder der Reederei Döhle gehören nur die wenigsten Schiffe den Unternehmen selbst. Die eigentlichen Eigentümer sind Kleinanleger, die sich über geschlossene Investmentfonds an den Schiffen beteiligten. Das war für die Reeder lange verlockend. Die Anleger nämlich lieferten Eigenkapital – und tragen oft ohne es zu wissen auch noch das Hauptrisiko. Die Reeder beteiligten sich meist nur mit kleinen Beträgen.
Ursprünglich waren die Fonds reine Steuersparmodelle. Anleger konnten die Anfangsverluste aus den Schiffen mit anderen Einkünften verrechnen. Damit bezweckte die Regierung eigentlich den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Handelsflotte. In den 90er-Jahren ersetzten Bundesregierungen die Abschreibungsmöglichkeiten durch die sogenannte Tonnagesteuer, die Schifffahrtsgewinne faktisch steuerfrei macht. Damit blieben die Dampfer attraktiv für Kleinanleger. Die Tonnagesteuer war der Treibsatz für das rasante Wachstum deutscher Emissionshäuser und Trampreedereien. Mit sehr geringem eigenem Kapitaleinsatz konnten sie sehr viele Schiffe kontrollieren.
Seit zwei Jahren ist das Modell tot. Deshalb sollten auch die Reeder umdenken, damit sie nicht den Anschluss verpassen. Die Finanzkrise hat die Banken vorsichtiger gemacht bei Kreditvergabe und Risikomanagement. Die Politik der tiefen Taschen, die vor allem HSH Nordbank und Deutsche Schiffsbank jahrelang fuhren, ist am Ende. Das bedeutet gleichzeitig, dass es für die Fondshäuser schwerer wird, kleine Anleger zu gewinnen.
Bislang konnten sie die Banken überzeugen, auch die von den Kleinanlegern zu finanzierenden Teile des Schiffspreises vorzustrecken. Nur so hatte der Fondsinitiator die Möglichkeit, seinen potenziellen Anlegern einen echten Kaufvertrag für ein echtes Schiff anzubieten. Damit ist Schluss.
Gewinner werden die Unternehmen sein, die sich neue Eigenkapitalquellen erschließen können. Hier hinken die deutschen Trampreeder ihren Konkurrenten hinterher. Die Griechen haben schon vor Jahren begonnen, Eigenkapital für neue Schiffe an der New Yorker Börse zu beschaffen. Der Erfolg des deutschen Fondssystems hat verhindert, dass solche Strukturen auch hier blühen. Das rächt sich jetzt.
Dabei gibt es Bedarf: Zurzeit sind mehr als 114 Schiffe bei Werften bestellt, ihr Wert liegt bei 7,4 Mrd. Dollar. Doch deutsche Schiffsfonds werden bei dem gewaltigen Finanzierungsbedarf kaum eine Rolle spielen. Wenn die deutschen Trampreeder ihre Position als Großvermieter für die globale Schifffahrt halten wollen, müssen sie normale Unternehmen werden, die sehr viel mehr Eigenkapital als bislang einsetzen, und Anleger finden, die unternehmerisch denken – nicht Kleininvestoren, die durch überprovisionierte Vertriebe für wenige Jahre angelockt werden.
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Quelle: Financial Times Deutschland
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