Nummer drei im Markt plädiert für Zinssenkungen // Schritt soll vor allem Prämien für ältere Versicherte bezahlbar halten
Ilse Schlingensiepen , Köln
Die Allianz Private Krankenversicherung spricht sich für eine allgemeine Absenkung des Rechnungszinses in der privaten Krankenversicherung (PKV) aus. Ein solcher Schritt liege im langfristigen Interesse der Kunden und der gesamten Branche, sagte Vorstand Christian Molt bei einer Fachtagung in Köln. „Es ist nicht auszuschließen, dass einzelne Unternehmen aufgrund des niedrigen Zinsumfeldes den Rechnungszins absenken müssen“, sagte Molt.
Mit der Forderung nach einer branchenweiten Maßnahme stellt sich die Nummer drei im Markt gegen die Linie des PKV-Verbands. Noch im Herbst des vergangenen Jahres hatte dieser einzelne Versicherer zurückgepfiffen, die das Thema anonym in die Diskussion gebracht hatten. Es gebe keinerlei Erwägungen, den Rechnungszins abzusenken, teilte der Verband damals umgehend mit.
Mit dem Rechnungszins bedienen die 43 PKV-Unternehmen die Alterungsrückstellungen, die Kunden ansparen, um zu starke Prämiensteigerungen im Alter zu verhindern. Ende 2010 beliefen sich die Alterungsrückstellungen auf 155 Mrd. Euro. Die Versicherer müssen sie mit dem Rechnungszins bedienen, dessen Obergrenze das Bundesfinanzministerium festlegt. Sie beträgt seit Langem 3,5 Prozent. Der PKV-Rechnungszins spielt eine andere Rolle als in der Lebensversicherung, wo er dem Kunden direkt gutgeschrieben wird. Lebensversicherer haben zurzeit einen Rechnungszins von 2,25 Prozent, er sinkt Anfang kommenden Jahres auf 1,75 Prozent.
Die gesamte Branche der privaten Krankenversicherer verdient mit ihren Kapitalanlagen zwar noch deutlich mehr als 3,5 Prozent. Im Jahr 2009 kam sie marktweit auf eine Nettoverzinsung von 4,2 Prozent. Einzelne Unternehmen haben aber Schwierigkeiten, den Höchstzins zu erwirtschaften.
Eine mögliche Absenkung des Rechnungszinses ist in der PKV heftig umstritten. Viele fürchten, dass ein solcher Schritt dem Image der Versicherer schaden könnte. Denn sie müssten dann sofort die Alterungsrückstellungen stärken, was steigende Prämien für die Kunden zur Folge hätte. Das erscheint der Mehrheit der Krankenversicherer zurzeit nicht opportun, da sie ohnehin wegen regelmäßiger Prämienerhöhungen unter Beschuss stehen.
Das Ansehen der Branche könne auf Dauer aber mehr leiden, wenn es einzelnen Unternehmen nicht gelingt, den Rechnungszins zu bedienen, und sie kurzfristig höhere Beitragssteigerungen an die Kunden weitergeben müssen, glaubt dagegen Molt. Die Versicherer müssen jedes Jahr prüfen, ob sie in den kommenden Jahren die 3,5 Prozent aus den Kapitalanlagen erwirtschaften können. Das Ergebnis des Tests ist der aktuarielle Unternehmenszins (AUZ). Liegt der Wert unter dem Rechnungszins, muss dieser bei der nächsten Beitragsanpassung individuell gesenkt werden – was die Beiträge für die betroffenen Unternehmen steigen lässt. „Es zeichnet sich ab, dass einzelne Unternehmen das AUZ-Verfahren nicht bestehen werden“, sagte Molt.
Der wichtigste Grund für eine moderate, branchenweite Absenkung des Höchstrechnungszinses im aktuellen Niedrigzinsumfeld sei das Ziel, auch weiterhin langfristig Überschusse zugunsten der Kunden zu erwirtschaften, sagte er. Die Differenz zwischen Rechnungszins und tatsächlich erzielten Renditen wird zu 90 Prozent dazu verwendet, die Prämien für ältere Versicherte bezahlbar zu halten. Fällt dieser Mittelzufluss weg, drohen ihnen höhere Prämien. „Je weniger Zinsen wir haben, desto geringer wird das Polster“, sagte der Allianz-Vorstand. Deshalb hält er es für günstiger, durch die Zinssenkung für höhere Überschüsse zu sorgen. „Eine moderate Absenkung des Rechnungszinses wäre sinnvoll. Wir sollten diesen Weg in der Branche gehen.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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