Wüstenrot geht ins billige Berlin

Neues Servicecenter soll Verträge schneller und günstiger bearbeiten //Kapitalausbau geplant

Herbert Fromme , Hamburg

Der Bauspar- und Versicherungskonzern Wüstenrot und Württembergische (W&W) will bei Vertragsbearbeitung und Service im Bausparsektor zur Konkurrenz aufschließen. Dabei setzt er auf eine neue „Kreditfabrik“, ein Dienstleistungszentrum in Berlin, das deutlich billiger arbeiten wird als die Stammbelegschaft in Stuttgart und Ludwigsburg. Das soll den Gewinn stützen, den W&W-Chef Alexander Erdland dringend braucht, um die Finanzkraft des Konzerns zu stärken.

„Wir sind im Vergleich zu Wettbewerbern ein Stück zurück“, sagte Erdland im FTD-Interview. Der Kostennachteil in der Bearbeitung liege je nach Vertragstyp bei mindestens 10 Euro pro Vorgang. Das Dienstleistungszentrum soll das ändern. Es arbeitet außerhalb des Tarifvertrags für Banken und Versicherungen; die Gewerkschaft Verdi protestiert. Das Gehaltsniveau in Berlin ist 20 bis 30 Prozent niedriger. „Wir bieten Verträge an, unter denen auch gelegentlich samstags gearbeitet werden muss“, so Erdland. In Berlin gebe es zahlreiche qualifizierte Bewerber. „In Ludwigsburg haben wir den Markt ja fast leer gefegt, man kann die 100 Leute, die wir jetzt in Berlin einstellen, in Ludwigsburg gar nicht finden.“

Erdland hat Erfahrung mit der Einrichtung solcher Zentren. Er war zuvor Chef beim größeren Rivalen Schwäbisch Hall, bei dem vor Jahren ein solcher Spezialist geschaffen wurde. 2006 wurde Erdland von Schwäbisch Hall nach Stuttgart abgeworben. In den fünf Jahren hat er das Bausparvolumen bei W&W von 7 auf 14,7 Mrd. Euro verdoppelt. Dazu trug die Übernahme der Allianz Dresdner Bausparkasse Anfang 2010 bei. Inzwischen verkaufen Allianz, Ergo und Commerzbank Wüstenrot-Verträge – zusätzlich zum eigenen Außendienst.

Für Erdland ist die Kernfrage, ob dem Konzern die Verbindung von Wohneigentum (Bausparkasse), Vorsorge (Lebensversicherung) und Risikoschutz (Schadenversicherung) gelingt. Tatsächlich ist die Konstruktion der Gruppe einzigartig: 1999 fusionierten die Bausparkasse Wüstenrot und der Versicherungskonzern Württembergische zur W&W. Seither hält die Wüstenrot Stiftung 66 Prozent, weitere Anteile liegen bei der Landesbank Baden-Württemberg, der L-Bank, Swiss Re und Unicredit.

Erdland will in den kommenden fünf Jahren das Eigenkapital aus Gewinnen um 1 Mrd. auf 3,5 Mrd. Euro ausbauen. Ein Grund seien die Eigenkapitalvorschriften für Banken und Versicherer, die mit Basel III und Solvency II eingeführt werden. Aber es gehe um mehr: „Wir wollen unabhängig bleiben und Handlungsspielräume sichern.“ Aufgrund seiner Aktionärsstruktur könne das Unternehmen keine nennenswerten Kapitalerhöhungen von außen vornehmen.

Die Stiftung kann kaum daran Interesse haben, frisches Geld einzuschießen, will aber ihren Anteil auch nicht reduzieren. Deshalb muss W&W die höhere Kapitalstärke selbst verdienen. „Der Mehrheitsgesellschafter signalisiert einen überschaubaren Dividendenanspruch und belässt den Großteil der Gewinne dem Unternehmen.“ Die Stiftung stehe zur W&W.

Die Tochter Württembergische Leben, die 14 Prozent Minderheitsaktionäre hat, hat ihre Dividende für 2010 von 1,10 Euro auf 11 Cent gesenkt, um die Kapitalbasis zu stärken. Für die Obergesellschaft plant Erdland keine Absenkung.

2010 verdiente W&W rund 190 Mio. Euro. Das ist deutlich weniger als die 222 Mio. Euro des Vorjahres. „Zugunsten von Investitionen nehmen wir temporär Ergebniseinschränkungen in Kauf“, sagte Erdland dazu. 2011 will er auf mindestens 180 Mio. Euro kommen, in den Folgejahren auf 250 Mio. Euro.

Quelle: Financial Times Deutschland

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