Die wirtschaftliche Entwicklung bringt Entspannung. Dieses Jahr werden wohlweniger Betriebe zahlungsunfähig als 2010. Aber es sind noch immer mehr als vorder Rezession
Patrick Hagen
Die spektakuläre Pleite der Bremer Reederei Beluga sorgt immer noch für Schlagzeilen. Nahezu täglich meldet ein weiterer Teil aus dem verzweigten Firmengeflecht Insolvenz an. Den Kreditversicherern bereitet die Reedereipleite allerdings wenig Kopfzerbrechen. Größere Ausfälle drohen ihnen aus dem Unternehmenszusammenbruch nicht.
Es ist selten, dass Kreditversicherer bei großen Insolvenzen ungeschoren davonkommen. Schließlich versichern sie Unternehmen dagegen, dass deren Kunden ihre Rechnung nicht bezahlen, weil sie pleite sind. Die Kreditversicherer beobachten die wirtschaftliche Lage sehr genau und erstellen eigene Insolvenzprognosen.
Sie geben jetzt Entwarnung für Lieferanten und ihre Versicherer. „In den Hauptexportmärkten Deutschlands in Europa sehen wir eher einen Rückgang der Insolvenzzahlen“, sagt Thomas Langen, Deutschlandchef des Kreditversicherers Atradius.
In der Insolvenzprognose für 2011 rechnet Atradius mit einem Rückgang der Pleiten in Deutschland um fünf Prozent auf 30 400 Fälle. Allerdings liege diese Zahl immer noch über dem Vorkrisenniveau, betont Langen.
Das deckt sich mit der Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Die Auskunftei erwartet 2011 für keine Branche einen nennenswerten Anstieg bei den Firmenzusammenbrüchen. „Dazu ist die wirtschaftliche Lage zu gut“, sagt Hardy Gude, Volkswirt in der Wirtschaftsforschung bei Creditreform.
Dennoch gebe es Bereiche, in denen die Wahrscheinlichkeit von Pleiten deutlich höher ist als in anderen. Dazu gehört die Baubranche. „Das liegt an der Kapitalschwäche vieler Baufirmen“, sagt Gude. Auch Transport- und Logistikunternehmen seien laut Gude besonders gefährdet. „Die Branche ist stark zersplittert, es gibt viele kleine Anbieter und starken Wettbewerb.“ Die große Masse der Bankrotte entfällt auf kleine Firmen, sogar auf Kleinstbetriebe. „Etwa 80 Prozent der Insolvenzverfahren betreffen Firmen, die maximal fünf Mitarbeiter haben“, sagt Gude.
Große Unternehmen machen zwar nur rund ein Prozent der Pleiten aus. Diese ziehen aber die größten Folgen nach sich. Häufig kommt es zu Folge-insolvenzen bei Zulieferern und Dienstleistern. Bislang gab es laut Gude in diesem Jahr zwei große Fälle von Zahlungsunfähigkeit: die Pleiten der beiden Autozulieferer Sellner und AKT. Beide beschäftigen mehr als 1000 Mitarbeiter.
Während die Kreditversicherer für Deutschland mit einem Rückgang der Zusammenbrüche rechnen, ist die Entwicklung in Europa uneinheitlich. „In Italien, Portugal und Spanien ist die Zahl der Insolvenzen weiterhin auf hohem Niveau“, sagt Norbert Langenbach, Vorstandsmitglied bei Coface Deutschland.
Skeptisch ist Langenbach, wenn es um die Entwicklung in Russland, Rumänien und Bulgarien geht. „Hier sind wir sehr vorsichtig und zeichnen nur selektiv“, sagt er. Auch in Dänemark gebe es immer noch viele Schäden. „Das liegt daran, dass die Krise dort später als in anderen Ländern begonnen hat“, sagt Langenbach. In Deutschland war 2010 schon die Erholung der Wirtschaft spürbar. In Dänemark stieg die Zahl der Unternehmenspleiten dagegen zweistellig und sei auch in diesem Jahr bislang auf hohem Niveau geblieben, sagt er.
Nicht einig sind sich die Kreditversicherer, wie sich die Situation in Griechenland entwickeln wird. Langenbach von Coface sieht die Zahl der Pleiten dort auf einem stabilen Niveau. „Sie sind weder 2010 noch in den ersten Monaten 2011 gestiegen“, sagt er. „Auf der Unternehmensseite sind keine Auswirkungen aus der Schuldenkrise spürbar.“
Ganz anders ist die Einschätzung von Atradius-Mann Langen. „Wir rechnen fest damit, dass es einen erheblichen Anstieg bei den Insolvenzen geben wird“, sagt er. Verantwortlich dafür seien zwei Entwicklungen: Der hoch verschuldete griechische Staat werde in Zukunft weniger investieren. Dazu komme eine erhebliche zusätzliche steuerliche Belastung, die den Konsum einschränken wird. „Darunter werden insbesondere die Bauindustrie und der Einzelhandel leiden“, sagt Langen. „Die Situation wird aber auch Auswirkungen auf andere Branchen haben.“
Das bedeute aber nicht, dass Atradius keine Lieferungen an griechische Kunden mehr versichert. „Ausschlaggebend ist die Lage des einzelnen Unternehmens“, sagt der Atradius-Manager. „Wir sind auch weiterhin in Griechenland aktiv, da gibt es keine unüberbrückbaren Hürden.“
Sinkt die Zahl der Pleiten, schlägt sich das auch in den Bilanzen der Kreditversicherer nieder. „Normalerweise liegt die Schadenquote um die 50 Prozent, das haben wir im vergangenen Jahr wieder erreicht“, sagt Langenbach. Die Schadenquote gibt an, wie hoch der Anteil der Prämieneinnahmen ist, den der Versicherer für Schäden ausgeben muss. Die Unternehmen verdienen wieder gut und geben deshalb bereitwilliger Deckung. Doch während in der Krise viele Unternehmen die zögerliche Zeichnungspolitik der Kreditversicherer kritisierten, geht die Nachfrage nach Deckung jetzt zurück. „Wir haben leichte Schwierigkeiten, neues Geschäft zu generieren“, sagt Langenbach. „Wir beobachten, dass nach jeder Krise die Nachfrage der Kunden sinkt.“ Auch Langen von Atradius will mehr Geschäft zeichnen. Er sieht allerdings noch immer viel Bedarf bei den Kunden. „Wir sehen keine Abflachung des Kundeninteresses“, sagt Langen. „Die Finanzkrise hat bei einigen Unternehmen offenbar zum Umdenken geführt.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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