Branche durch drohende Abschläge auf griechische Schuldtitel beunruhigt
Herbert Fromme , Köln
Wenn einzelne EU-Länder ihre Schulden umstrukturieren, sollte nach Ansicht deutscher Versicherer ein prozentualer Abschlag – der sogenannte „Haircut“ – auf jeden Fall vermieden werden. Stattdessen seien eine Laufzeitverlängerung ausstehender Anleihen sowie eine freiwillige Umschuldung denkbar, sagte Torsten Utecht, Finanzchef der Generali Deutschland. „Das würde in Form des Rückkaufs umlaufender Staatsanleihen zu einem Marktpreis unterhalb des Nennwerts beziehungsweise des Rückzahlungskurses der Anleihen erfolgen“, sagte Utecht. Der Vorteil: „Hieraus würde kein unmittelbarer Wertberichtigungsbedarf auf unser Exposure resultieren.“ Mit Exposure ist das Engagement eines Marktakteurs gemeint.
Ein Abschlag hätte hingegen möglicherweise negative Folgen: „Mögliche negative Spill-over-Effekte auf andere Länder sowie den Finanzsektor sind nur eingeschränkt prognostizierbar beziehungsweise kaum zu beherrschen“, sagte Utecht. Er reagierte damit auf Überlegungen in den Euro-Ländern, eine Umstrukturierung der Schulden Griechenlands nicht länger auszuschließen. Grund sind wachsende Zweifel daran, dass Griechenland wie bislang erhofft im Laufe des Jahres 2012 an den Anleihemarkt zurückkehren und sich so teils selbst finanzieren kann.
Festverzinsliche Wertpapiere, vor allem Staatsanleihen, sind das Hauptanlageinstrument europäischer Versicherer. Beim Marktführer Allianz stecken 396 Mrd. Euro von 445 Mrd. Euro in Festzinstiteln, davon rund 140 Mrd. Euro in Staatsanleihen. Aktien machen nur sieben Prozent aus. Bei anderen Gesellschaften ist das ähnlich.
Deshalb sehen viele Umstrukturierungen mit großer Skepsis. Paul Achleitner, Finanzchef der Allianz, forderte Ende Februar die Schaffung eines europäischen, staatlich gestützten Kreditversicherers, der ähnlich wie die Monoliner in den USA Anleihen versichert. Anders als die Monoliner, die in der Krise ins Straucheln gerieten und teils Pleite gingen, müsse ein EU-Kreditversicherer aber im Rahmen des europäischen Stabilitätsmechanismus unterstützt werden, sagte Achleitner.
Nach Berechnungen der Investmentbank JP Morgan Cazenove könnten die führenden europäischen Versicherer mit einem Abschlag auf griechische Anleihen sehr wohl fertig werden, weil die Volumen gering sind. Von den Versicherern am höchsten engagiert ist der italienische Generali-Konzern mit 3 Mrd. Euro, gefolgt von der französischen CNP Assurances mit 2 Mrd. Euro und Axa mit 1,9 Mrd. Euro. Die niederländische ING kommt auf 1,4 Mrd. Euro, die Allianz auf 1,3 Mrd. Euro.
In Irland und Portugal ist das Engagement auf ähnlichem Niveau und damit überschaubar, in Italien und Spanien ist es aber deutlich höher. Die Allianz, zu der die RAS in Italien gehört, kommt dort auf 28,2 Mrd. Euro in Staatsanleihen, in Spanien auf 4,9 Mrd. Euro. Gemessen am Eigenkapital der Gesellschaften ist die CNP am höchsten in Bonds der kriselnden Euro-Staaten investiert. Die Gesamtsumme ihrer Staatsanleihen in den fünf Ländern entspricht 346 Prozent des Eigenkapitals. Bei der Generali sind es 340 Prozent, bei Allianz und Axa jeweils 82 Prozent.
Ein Abschlag auf griechische Staatsanleihen würde vor allem dort beheimatete Versicherer direkt treffen. Das sagte Ralf Bender, Versicherungsanalyst bei der Ratingagentur Standard & Poor’s: „Schon heute beurteilen wir Versicherer nicht mit einem besseren Rating als das des Landes, in dem sie ansässig sind.“
Große europäische Konzerne hingegen wären bei einer isolierten Aktion in Griechenland nicht in ihren Beurteilungen durch die Rating-Agentur betroffen, sagte Bender. Sollte es in europäischen Ländern zu einer Krise der Staatsanleihen kommen, würde dies vor allem Lebensversicherer treffen. „Schaden- und Unfallversicherer sowie Rückversicherer müssten kaum mit einer Absenkung des Ratings rechnen, Lebensversicherer aber um eine bis drei Stufen.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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