Nach dem Abgang von Präsident Cesare Geronzi steht der GroßversichererGenerali vor einer Zeitenwende. Vorstandschef Giovanni Perissinotto hat fortanzwar keinen Gegenspieler mehr – aber auch kein Alibi. Er muss jetzt liefern
Andre Tauber
und Herbert Fromme, Triest
Der Neue bemüht sich um Bescheidenheit. Nur einen kurzen Moment erträgt Gabriele Galateri das Blitzlichtgewitter der Fotografen am Rand der Hauptversammlung des italienischen Versicherungskonzerns Generali, dann mahnt er schon zum Aufbruch. „Wir sind doch keine Filmstars“, scherzt er. Firmenchef Giovanni Perissinotto neben ihm freut sich über die Zurückhaltung des Verwaltungsratspräsidenten. „Wir sind glücklich, mit ihm zu arbeiten“, sagt er. Es klingt erleichtert.
Die Zeit der starken Präsidenten soll mit Galateri vorbei sein. In den vergangenen Monaten litt der drittgrößte Versicherer Europas unter einem beispiellosen Streit um Macht und Einfluss. Cesare Geronzi, der machtbewusste Banker, der Italiens Premier Silvio Berlusconi nahesteht, musste schließlich Anfang April seinen Posten aufgeben, nachdem er sich zu sehr ins Tagesgeschäft eingemischt hatte. 16,7 Mio. Euro zahlte ihm das Unternehmen, um ihm den Ausstieg zu versüßen.
Perissinotto kommt nun unter Erfolgsdruck. Ab sofort habe er keine Ausreden mehr, wenn der Konzern hinter Rivalen wie Allianz und Axa zurückbleibe, sagte kürzlich Federico Ghizzoni, Chef der nach Marktkapitalisierung größten italienischen Bank Unicredit. Ähnlich tönt nun der auch Bau- und Medienunternehmer Francesco Gaetano Caltagirone, der im Verwaltungsrat des Versicherers sitzt. „Generali muss jetzt auf Angriff spielen“, fordert er. Viele Aktionäre sind unzufrieden mit der jüngsten Entwicklung der Aktie.
Das Wachstum soll Sergio Balbinot holen. Der Auslandschef will das Kunststück fertigbringen, in den gesättigten Märkten Westeuropas die Marktanteile nur noch zu sichern, dafür aber die Rendite auszuweiten. Aggressiver soll der Versicherer in Schwellenländern auftreten: China, Indien, Indonesien, Vietnam nennt Balbinot. Perissinotto fügt noch Russland hinzu. Der Weg ist nicht einfach. In den ersten drei Monaten ist das Prämienaufkommen spürbar gesunken. Trotzdem gibt sich Perissinotto zuversichtlich. „Wir erwarten, dass der Gewinn 2011 höher als im vorigen Jahr liegen wird“, sagt er. Die Quartalsdetails werden dann im Mai vorgestellt.
Sind damit alle Probleme gelöst? Nein. Vor allem die vergleichsweise schwache Kapitalausstattung des Versicherers macht Sorgen. Doch zunächst einmal herrscht Optimismus. Endlich sei klar, wer verantwortlich sei, sagt Alberto Nagel, Präsident der Geschäftsbank Mediobanca, der größten Aktionärin. Und sogar die beiden lautesten Streithähne im Verwaltungsrat senden positive Signale: Jetzt herrsche „Eintracht“, so Schuhunternehmer Diego Della Valle, der die Allianz zum Sturz Geronzis organisierte. Und der Geronzi-Vertraute Vincent Bolloré ruft plötzlich zur Zusammenarbeit auf. Als Zeichen guten Willens stimmt er der Bilanz zu, der er zuvor im Verwaltungsrat den Segen verweigert hatte.
Die Kleinaktionäre bleiben skeptisch. „Die machen da oben doch ohnehin, was sie wollen“, sagt einer von ihnen. Eigens ist er aus der Toskanastadt Prato angereist und blickt bei einer Zigarettenpause auf die elegante Jacht von Della Valle, die wie zur Machtdemonstration direkt neben dem Konferenzzentrum festgemacht hat. Den Pensionär stört das aber nur wenig. Auf die Hauptversammlung kommt er ohnehin nur, um Freunde zu treffen und gratis zu essen – das Papier ist eine Art Volksaktie in der norditalienischen Hafenstadt, die Hauptversammlung mit gutem Grund am arbeitsfreien Samstag angesetzt. Solange das weiter möglich ist, wird er zufrieden sein. Wie so viele Aktionäre in Triest.
Quelle: Financial Times Deutschland
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