Versicherer verweigert 300 früheren Gerling-Mitarbeitern Erhöhung //Ex-Eigner Rolf Gerling spart bei seiner Altgesellschaft
Herbert Fromme , Köln
Frühere Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder des Gerling-Konzerns gehen nach FTD-Informationen wegen ihrer Betriebsrenten rechtlich gegen die Hannoveraner Talanx vor. Deutschlands drittgrößter Versicherer hatte die notleidende Gerling-Gruppe 2006 übernommen. Seither weigert sich das Unternehmen, für einen Teil der Mitarbeiter die Betriebsrenten wie gesetzlich vorgesehen an die Entwicklung der Preise oder der Nettolöhne anzupassen.
Begründung: die „schlechte wirtschaftliche Lage“ von Töchtern, die Betriebsrentenverpflichtungen aus Gerling-Zeiten haben. Betroffen seien „rund zehn Prozent unserer 3000 Betriebsrentner“, sagte Thomas Emmert, der für Personal zuständige Vorstandssprecher der Dienstleistungstochter Talanx Service. Sie seien bei solchen Gesellschaften beschäftigt gewesen, die nach der Übernahme im Talanx-Konzern nicht mehr aktiv waren. Ihr einziger Zweck besteht jetzt noch in der Verwaltung des Betriebsrentenvermögens. Emmert bestätigte, dass es Klagen gibt, wollte aber zu ihrer Zahl und zum Stand der rechtlichen Auseinandersetzung nicht Stellung nehmen.
Bei Talanx könnte sich der Verweis auf wirtschaftliche Probleme einzelner Töchter negativ auf die Kapitalmarktpläne auswirken. Konzernchef Herbert Haas will das Unternehmen 2012 an die Börse bringen – da passt eine Finanzsituation, die eine moderate Anhebung der Betriebsrenten für 300 Ex-Mitarbeiter angeblich nicht ermöglichen soll, schlecht ins Bild.
Gesetzlich sind Arbeitgeber gezwungen, die Rentenzahlungen an ihre Pensionäre alle drei Jahre zu überprüfen. Allerdings darf, so die höchstrichterliche Rechtsprechung, eine Anpassung die bestehenden Arbeitsplätze nicht gefährden. Auch die angemessene Verzinsung des Eigenkapitals hat Vorrang.
Talanx steht nicht allein mit seiner Blockadehaltung. Die Commerzbank weigert sich ebenfalls, die Bezüge von Ruheständlern anzupassen. Zahlreiche weitere Gesellschaften passen entweder gar nicht an oder mit Sätzen, die nach Ansicht betroffener Rentner zu gering sind. Knauserig zeigt sich auch die Allianz – sie friert den Zuschuss zur betrieblichen Altersversorgung der aktiven Mitarbeiter im zweiten Jahr in Folge ein.
Talanx organisiert als Dienstleister auch die Betriebsrentenzahlungen für rund 1500 Rentner, die bei der früheren Konzernobergesellschaft Gerling-Konzern Beteiligungsgesellschaft (GKB) angestellt waren und von ihr Betriebsrenten erhalten. Talanx hatte die GKB ausdrücklich nicht mitgekauft. Die inzwischen in Winsor GmbH umfirmierte Gesellschaft gehört mehrheitlich noch Rolf Gerling, dem früheren Eigner des Gerling-Konzerns. Auch Gerlings GKB passt ihre Betriebsrenten mit dem Argument der schlechten wirtschaftlichen Lage seit Jahren nicht an.
Dass vom Talanx-Sparkurs ausgerechnet nur frühere Gerling-Mitarbeiter betroffen sind, hilft nicht bei der Überwindung der Gräben zwischen der alten „grünen“ HDI-Welt aus Hannover und der „blauen“ Gerling-Welt aus Köln. Grün ist die Markenfarbe von HDI, blau der alten Gerling.
Seit der 2006 vollzogenen Übernahme von Gerling durch Talanx und seine HDI-Töchter bemüht sich Talanx, diese Fusion auch organisatorisch abzuschließen. Während das im Bereich Industrieversicherung weitgehend gelungen ist, gilt die Zusammenführung im Bereich Privat- und Firmenkunden als problematisch.
Als Konsequenz hat der Hannoveraner Konzern 2010 eine neue Führung für den Betriebsteil Talanx Deutschland eingesetzt. Unter der Leitung von Talanx-Deutschland-Chef Heinz-Peter Roß soll sie das Unternehmen auf Vordermann bringen. Zum Plan gehören 250 Mio. Euro IT-Investitionen und ein Sparpaket, mit dem das Unternehmen 245 Mio. Euro weniger im Jahr ausgeben will. So versucht Roß, den Kostennachteil gegenüber der Allianz und anderen Wettbewerbern in den Griff zu bekommen. In der Branche wird erwartet, dass dabei mindestens 1000 von 6500 Arbeitsplätzen abgebaut werden.
Quelle: Financial Times Deutschland
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