Private Krankenversicherer wollen mit Gesundheitsangeboten punkten. Für vieleKunden zählt aber vor allem die schnelle Erstattung der Kosten
Ilse Schlingensiepen
Fast sieht es so aus, als schäme sie sich ihres Namens. Die Deutsche Krankenversicherung (DKV), will sich als „Gesundheitsversicherer Deutschlands“ positionieren. Der Marktführer der privaten Krankenversicherer (PKV) will zeigen, dass er mehr für die Kunden tut, als Rechnungen zu erstatten.
Versicherte können sich bei der DKV medizinischen Rat holen oder bei der Arzt- und Kliniksuche unterstützen lassen. Haben sie den entsprechenden Tarif gewählt, erhalten sie bei einer schweren Erkrankung innerhalb von fünf Tagen einen Termin bei einem Top-Experten.
„Das Gesundheitswesen erscheint dem Patienten manchmal wie ein Dschungel. Unsere Aufgabe ist, ihm den Weg hindurch zu bahnen“, sagt DKV-Chef Clemens Muth. Der Versicherer erinnert die Kunden an Vorsorgeuntersuchungen und bietet chronisch Kranken spezielle Programme zur Begleitung der medizinischen Versorgung an. Die Hoffnung: Die Kunden werden besser versorgt, sind zufriedener, der Aufwand sinkt. Fast 14 000 Versicherte betreut das Unternehmen zurzeit in einem solchen Programm.
„Der Wettbewerb in der PKV wird in Zukunft immer mehr über den Service und die Zusatzleistungen entschieden werden, die Unternehmen ihren Versicherten anbieten“, sagt Muth. Krankenversicherung sei mehr als das Zahlen von Rechnungen. „Sie muss auch einen Mehrwert für die Versicherten bieten.“
Viele PKV-Unternehmen versuchen, mit solchen Angeboten zu punkten. Bei der Allianz Private Krankenversicherung sind sie unter dem Motto Gesundheitslotsen gebündelt. Dazu gehören sogenannte Patientenbegleiter, die vollversicherte Kunden rund um einen Krankenhausaufenthalt oder in anderen schwierigen Krankheitssituationen beraten und unterstützen.
Die Versicherten schätzen das Angebot laut einer Zufriedenheitsbefragung, sagt Unternehmenssprecher Ulrich Hartmann. „97 Prozent der begleiteten Kunden finden diesen Service wichtig, und 99 Prozent möchten bei Bedarf wieder betreut werden.“ Allerdings haben seit 2002 erst 8500 der 700 000 Vollversicherten das Angebot in Anspruch genommen.
Auch die Debeka bietet auf Wunsch Beratung und Hilfeleistungen an, sieht darin aber keinen Schwerpunkt ihres Kundenservices. „Die meisten Versicherten rufen nicht bei ihrem Versicherer an, bevor sie in ein Krankenhaus gehen“, sagt Vorstand Roland Weber. „Aber wenn sie es wollen, sind wir darauf eingerichtet.“ Viel wichtiger sei die gute Betreuung durch die Debeka-Mitarbeiter. „Das Verhalten im Leistungsfall ist entscheidend“, betont Weber.
Viele Kunden betrachten es mit gemischten Gefühlen, wenn sich die PKV-Unternehmen in die Gesundheitsversorgung einmischen, weiß Guido Leber, Leiter Krankenversicherung bei der Kölner Ratingagentur Assekurata. „Diese Services werden häufig als Sparmaßnahme wahrgenommen“, sagt er. Den persönlichen Nutzen der Leistungen sehen die Versicherten dagegen weniger.
Wenn es um Kundenzufriedenheit und Kundenbindung in der PKV geht, spielen solche Angebote nach Lebers Erfahrung keine große Rolle. „Die PKV muss in den klassischen Handlungsfeldern gut sein.“ Das sind unter anderem die Rechnungsbearbeitung, die Erreichbarkeit und die Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter. „Die Geschwindigkeit, mit der Rechnungen erstattet werden, ist nach wie vor sehr wichtig“, sagt Leber. Kaum ein Versicherter sei heute noch bereit, länger als zwei Wochen zu warten, bis das Geld auf seinem Konto ist.
Gerade bei den privaten Krankenversicherern sei wegen der oft komplizierten Zusammenhänge ein gut funktionierendes Beschwerdemanagement wichtig. Kunden verstehen häufig nicht, warum der Versicherer Leistungen nicht erstattet. „Hier muss ich als Versicherer gut erklären, und ich muss es schnell machen“, sagt Leber. Befragungen zeigen einen erstaunlichen Zusammenhang: Versicherte, die ihren Unmut geäußert und eine schnelle und zufriedenstellende Erklärung erhalten haben, sind oft zufriedener als Kunden, die sich noch gar nicht beschwert haben.
Nachholbedarf sieht Leber bei vielen PKV-Unternehmen bei der Einbindung des Internets. „Das steckt noch in den Kinderschuhen.“ Es gebe immer mehr Kunden, die ihre Belege elektronisch einreichen wollen, das sei aber bei vielen Anbietern nicht möglich, sagt er.
Debeka-Vorstand Weber warnt vor einem aus seiner Sicht gefährlichen Trend in der Versicherungsbranche. Die von vielen Unternehmen propagierte Industrialisierung der Abläufe sei genau das Gegenteil von Kundenservice, sagt er. Fließbandarbeit dürfe nicht zum Vorbild für Versicherer werden. Das Ziel müsse es vielmehr sein, auf die genauen Wünsche der Kunden einzugehen. „Wir müssen Manufaktur sein, kein Industriebetrieb“, sagt Weber.
Quelle: Financial Times Deutschland
Dieser Beitrag ist nur für Premium-Abonnenten vom Versicherungsmonitor persönlich bestimmt. Das Weiterleiten der Inhalte – auch an Kollegen – ist nicht gestattet. Bitte bedenken Sie: Mit einer von uns nicht autorisierten Weitergabe brechen Sie nicht nur das Gesetz, sondern sehr wahrscheinlich auch Compliance-Vorschriften Ihres Unternehmens.
Diskutieren Sie mit
Kommentare sind unseren Abonnenten vorbehalten. Bitte melden Sie sich an oder erwerben Sie hier ein Abo