Der einst mächtige Manager soll Tausende Anleger betrogen haben // Im Aprilstürzte er bereits als Verwaltungsratschef bei Generali
Herbert Fromme , Köln
Cesare Geronzi soll für vier Jahre ins Gefängnis. Zu dieser Strafe verurteilte ihn gestern ein Gericht in Rom. Der 76 Jahre alte frühere Präsident der Verwaltungsräte bei der Mediobanca und beim Versicherer Generali soll im Vorfeld der Pleite des Lebensmittelkonzerns Cirio im Jahr 2002 Anleger betrogen haben.
Damals war er Chef der Bank Capitalia. Er habe Anleihen von Cirio ausgegeben, obwohl er über die prekäre Situation des Tomatenfabrikanten genau Bescheid wusste, wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor. Sie hatte sogar acht Jahre Gefängnis gefordert. Der frühere Cirio-Chef Sergio Cragnotti wurde zu neun Jahren Haft verurteilt, ihn wollten die Staatsanwälte 15 Jahre hinter Gittern sehen. Giampiero Fiorani, der Ex-Chef der Bank BPI, ging straffrei aus.
Die Cirio-Affäre war einer der größten Finanzskandale in der Geschichte Italiens. Die Pleite im Jahr 2003 führte zu einem Gesamtschaden von 1,1 Mrd. Euro, mindestens 35 000 Anleger wurden geschädigt.
Geronzi will in die Berufung gehen. Doch schon jetzt steht fest: Das Urteil bedeutet einen tiefen Fall nach einer steilen Karriere in der italienischen Finanzwirtschaft. 20 Jahre Banca d’Italia, 20 Jahre Aufbau der Bankengruppe Banca di Roma, die später in Capitalia umbenannt wurde, bis zur Fusion mit Unicredit. Seit 2007 war er Chef der Mediobanca, ab April 2010 Präsident bei Generali, dem drittgrößten europäischen Versicherer. Genau ein Jahr später stürzte ihn der Verwaltungsrat.
Seit Jahren kursieren Vorwürfe gegen Geronzi wegen zu großer Nähe zur Politik, vor allem zu Regierungschef Silvio Berlusconi. Erste staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen angeblicher falscher Unterrichtung der Bankenaufsicht über die Qualität von Darlehen brachten ihn 2007 vor Gericht. Dazu ist heute noch auf Geronzis privater Website zu lesen: „Die persönlichen Angriffe, die er über sich ergehen lassen musste und die sich in Maßnahmen zur Einschränkung der Gesellschaftstätigkeit konkretisierten, lösen bei ihm große Fassungslosigkeit und Bitterkeit aus und führen zu Momenten, in denen er völlig den Mut verliert.“
Die Phase der Mutlosigkeit währte nicht lange: Nach etwas „Meditation und nach einer Rückschau auf den bisherigen Weg wird er in seiner Gewissheit bestätigt, dass er stets innerhalb der Grenzen seiner Funktionen und unter vollumfänglicher, konstanter Beachtung der geschriebenen, beziehungsweise ungeschriebenen Vorschriften gehandelt hat“. Kaum ein Manager ist so gut vernetzt wie der grauhaarige Italiener. „Ich brauche kein Büro, ich habe ein Telefon“, ist sein Wahlspruch. Seine Kontakte nutzte er auch beim Vormarsch an die Generali-Spitze. Jahrelang hatte er im Verwaltungsrat des Versicherers unauffällig mit dem heute 86-jährigen Antoine Bernheim zusammengearbeitet, dem damaligen Verwaltungsratspräsidenten. Bernheim war 37 Jahre Mitglied des Leitungsgremiums, dann stürzte ihn Geronzi.
Doch bei Generali – einem der größten Investoren des Landes – überzog der Machtmensch. In einem Interview erklärte er über die Köpfe des Managements und der übrigen Verwaltungsräte hinweg, Generali wolle mehr in italienische Infrastrukturprojekte investieren – unter anderem in die Brücke von Messina, einem Lieblingsprojekt Berlusconis. Nach heftigem Streit musste Geronzi gehen – mit 16,7 Mio. Euro Abfindung.
Quelle: Financial Times Deutschland
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