Behörde hat kein Recht auf Verzinsung von Bußgeldern
Herbert Fromme , Köln
Im Streit mit dem Bundeskartellamt um die Verzinsung von Bußgeldern hat der Versicherer Gothaer einen Sieg errungen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hält die Verzinsungsvorschrift für verfassungswidrig und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Die Entscheidung ist für alle Unternehmen, die mit Kartellvorwürfen konfrontiert sind, von großer Bedeutung. Die Wettbewerbsbehörde hatte 2005 gegen 16 Versicherer sowie Vorstände und leitende Mitarbeiter Bußgelder in Höhe von 150 Mio. Euro verhängt. Auf die Gothaer entfielen 6 Mio. Euro. Die Gesellschaften sollen von 1999 bis 2003 Absprachen in der Industrieversicherung getroffen haben. Die meisten Unternehmen sahen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und legten Einsprüche gegen die Bußgelder ein. Als sich in der Verhandlung herausstellte, dass das damals ebenfalls zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf diese zurückweisen würde, zogen die Unternehmen ihre Einsprüche 2009 zurück.
Das Kartellamt verlangte daraufhin allein von der Gothaer für die Zeit zwischen Erlass des Bußgeldbescheids und der Zahlung 1,7 Mio. Euro an Zinsen. Insgesamt berechnete es 14 Versicherern 25 Mio. Euro Zinsen. Man habe „in dieser Frage keinen Ermessensspielraum“, sagte dazu ein Sprecher der Behörde. Seit 2005 gelte der Paragraf 81 Absatz 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. „Diese Regelung sieht vor, dass Bußgelder von Gesetzes wegen zu verzinsen sind.“
Der Hintergrund: Offenbar fürchtete die Bundesregierung, Unternehmen könnten Einsprüche gegen Bußgeldbescheide mit dem alleinigen Motiv einlegen, die Summen wegen der langen Verfahrensdauer deutlich später zu zahlen und damit Zinsgewinne zu erzielen. Dem sollte der neue Paragraf Einhalt gebieten. Die Gothaer argumentierte, die Vorschrift sei erst drei Monate nach Erlass des Bußgeldbescheids eingeführt worden.
Das Gericht geht in seinem jüngst gefällten Urteil noch weiter und erklärte, die Verzinsung von Kartellbußgeldern sei verfassungswidrig. Sie widerspreche der Situation in anderen Gebieten wie Straßenverkehrs- oder Umweltrecht. Auch müssten nur Firmen zahlen, Einzelkaufleute und Manager nicht. Deshalb soll jetzt das Verfassungsgericht entscheiden.
Quelle: Financial Times Deutschland
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