Viele Kfz-Versicherer bieten Unfallhilfen über das Handy an. Von derschnellen Schadensmeldung per Smartphone profitieren allerdings nur die Anbieter
Sie wirken superpraktisch und kosten nichts, aber ihr Gebrauch kann teure Folgen haben: Apps von Versicherern. Immer mehr Häuser bieten ihren Kunden diese speziellen Programme fürs Handy an – von der Allianz über die HUK-Coburg und die R+V bis hin zur VHV und Zurich. Vor allem die großen Kfz-Versicherer locken damit. Mal heißen die Apps „Autounfall“, mal „Schadenhelfer“ oder manchmal einfach nur „Helfer“.
Das Prinzip: Kunden laden sich die App auf ihr Smartphone. Damit haben sie bei einem Unfall die Notrufnummer zum Servicecenter des Versicherers und vor allem die Schadensmeldung parat. Statt später Formulare auf Papier ausfüllen zu müssen, können Kunden alle wichtigen Informationen vor Ort in verschiedene Masken eingeben und Fotos in die Schadensmeldung einfügen – und das Ganze direkt an den Versicherer senden. Aber gerade diesen letzten Schritt sollten sie auf keinen Fall tun, rät Arno Schubach, Fachanwalt für Versicherungsrecht beim Deutschen Anwaltsverein: „Schadensmeldungen sollten mit Bedacht ausgefüllt werden, das ist in der Stresssituation am Unfallort nicht möglich.“
Apps geben Versicherern nicht nur ein modernes Image. Die Anbieter haben auch weniger Verwaltungsaufwand, wenn die Schadensmeldung übers Handy und nicht auf Papier über den Vertreter kommt. Aber für den Versicherten kann das durchaus Nachteile haben, warnt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Wenn überhaupt, sollte die App nur als Gedächtnisstütze zum Einsatz kommen. „Gerade wenn es um Kaskoschäden geht, sollten Kunden bei der Schadensmeldung lieber zweimal schauen“, sagt sie. Auf einem kleinen Sichtfeld übersehen Nutzer eher etwas als beim Ausfüllen eines ausgedruckten oder auf einem großen Computerbildschirm geladenen Formulars. Flüchtigkeitsfehler oder Widersprüche können böse Folgen haben. Im schlimmsten Fall kürzt der Versicherer die Leistung.
Die Versicherer wollen gar nicht, dass Kunden die Schadensmeldung sofort abschicken, sagt eine Sprecherin der VHV. Es gehe darum, dass sie über die App sofort Kontakt zum Versicherer aufnehmen können, damit ihnen geholfen wird.
Nach einem Schaden können Kunden gar nicht akribisch genug sein. Als Rechtsanwältin hat Weidenbach einen Mandanten vertreten, dessen Wagen gestohlen worden war. In solchen Fällen müssen Versicherte Zweitschlüssel vorlegen oder ihren Verbleib plausibel erklären. In der Aufregung hatte der Mandant bei der Polizei erklärt, er habe den Zweitschlüssel verloren. Aber in der Schadensmeldung an den Versicherer stand, dass er den Schlüssel verlegt hat. Wegen dieses Widerspruchs wollte der Versicherer nicht zahlen. Der Kunde hatte Glück: Er fand den Schlüssel doch noch und wurde nach langen Auseinandersetzungen entschädigt.
Vorsicht geboten ist auch bei praktischen Zusatzfunktionen der Apps wie Parkplatzsuchern, die Kunden zu ihren Autos zurücklotsen. „Wer so etwas nutzt, macht sich möglicherweise kontrollierbar“, sagt Weidenbach. Das ist schlecht, wenn Autofahrer nach einem Schaden den Standort ihres Wagens versehentlich geringfügig falsch angeben, etwa Parkplatz E statt C beim Besuch eines Stadions. Wurde der Wagen von Hooligans beschädigt und dem Versicherer fällt der Widerspruch auf, könnte die Schadensregulierung schwierig werden.
Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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