Private Krankenversicherer werben mit Billigangeboten um Kunden.Verbraucherschützer warnen
Ilse Schlingensiepen
Glaubt man den Anzeigen im Internet und den unzähligen Werbe-E-Mails, ist eine private Krankenversicherung (PKV) schon ab 59 Euro im Monat zu haben. Zwar handelt es sich nach einer Recherche der Zeitschrift „Finanztest“ dabei meistens um verdeckte Vorstöße von Adresshändlern. Doch nicht nur bei solchen Lockvogelangeboten ist nach Ansicht von Verbraucherschützern Vorsicht geboten. Auch um die Billigangebote mancher PKV-Unternehmen sollten Kunden einen Bogen machen, raten sie.
Die niedrigpreisigen Policen sind ein Ausdruck des harten Wettbewerbs im PKV-Hauptgeschäftsfeld Vollversicherung. Während gut verdienende Angestellte seit jeher eine umworbene Zielgruppe der Branche sind, haben sich einige Unternehmen in den vergangenen Jahren verstärkt um jüngere Selbstständige mit geringem Einkommen bemüht. Ihnen werden billige Tarife angeboten. Diese Tarife sind aber auch in ihrem Leistungsumfang sehr beschränkt und liegen deutlich unter dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherungen. Große Bereiche wie die Psychotherapie sind meistens gar nicht versichert.
Für Lars Gatschke, Versicherungsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband, steht fest: „Von solchen Angeboten sollten Kunden definitiv die Finger lassen.“ Niemand sollte eine Krankenversicherung kaufen, die weniger Leistungen als eine Krankenkasse bietet.
Gatschke sieht ein grundsätzliches Problem: Wer schon beim Abschluss des Vertrags überlegen muss, ob er sich die Prämien für eine klassische PKV-Police – also mit umfassendem Schutz, aber ohne Luxusleistungen wie das Einbettzimmer oder die Chefarztbehandlung im Krankenhaus – überhaupt leisten kann, der gehört nicht in die PKV. Gatschke verweist auf die jährlichen Beitragssteigerungen in der PKV. „Wie will so jemand denn mit 60 Jahren seine Beiträge bezahlen?“ Gerade für die knapp kalkulierten Billigtarife rechnet er in der Zukunft mit kräftigen Erhöhungen.
Auch Thorsten Rudnik, Vorstand beim Bund der Versicherten, fällt ein vernichtendes Urteil über die PKV-Billigangebote. „Sie gehören abgeschafft, denn sie haben keine Berechtigung“, sagt er. Viele Versicherte wüssten beim Kauf einer solchen Police gar nicht, auf was sie sich dabei einlassen, glaubt er. „Sie werden es erst merken, wenn sie älter oder krank werden und Leistungen benötigen, die sie nicht bekommen“, sagt er.
Dann ist es aber für einen Wechsel in einen anderen Tarif zu spät. Zwar bieten die PKV-Unternehmen bei den niedrigpreisigen Einsteigertarifen häufig eine Wechseloption. Innerhalb weniger Jahre nach Vertragsabschluss können sie ohne erneute Gesundheitsprüfung und bei Mitnahme ihrer angesparten Alterungsrückstellungen in einen höherwertigen Tarif wechseln. Gerade in den ersten Jahren würden aber die wenigsten dafür die Notwendigkeit sehen, sagt Rudnik.
Fraglich sei auch, ob die Vermittler die Kunden wirklich auf die mit den Billigpolicen verbundenen Probleme aufmerksam gemacht haben und das im Zweifelsfall auch dokumentieren können, so Rudnik. „Ich sehe in diesem Bereich noch ein hohes Streitpotenzial“, sagt er.
Nicht nur Kunden machen negative Erfahrungen mit den billigen Tarifen. Auch manche Anbieter sehen sie inzwischen skeptisch. Der Marktführer DKV hat als erster den Rückzug angekündigt und will ab Dezember keine solchen Policen mehr verkaufen. Die Central Kranken – die Nummer fünf – ist dem Beispiel gefolgt und hat sich bereits Anfang August von den Billigpolicen verabschiedet.
„Unsere Hoffnung war, dass die Kunden nach dem Einstieg in die PKV nach einiger Zeit in höherwertige Tarife wechseln“, sagt DKV-Chef Clemens Muth. Das sei aber nicht passiert, sondern eher das Gegenteil. Häufig seien den Kunden nach einiger Zeit selbst diese Tarife zu teuer, und sie suchten noch günstigere Angebote. Sowohl DKV als auch Central wollen sich jetzt wieder auf das höherwertige Segment konzentrieren.
Andere Anbieter wie Hansemerkur halten dagegen an den billigen Angeboten fest. „Preissensitive Kunden wählen bevorzugt Tarife mit geringem Leistungsumfang, um ausschließlich ihre existenziellen Risiken abzusichern“, sagt ein Firmensprecher. Die Wahl eines Versicherungsschutzes mit Leistungseinschränkungen sei ein bewusster Akt des Kunden. „Das ist nicht ,billig`, sondern aus seiner Sicht bedarfsgerecht und schon gar kein schlechter Versicherungsschutz“, so der Sprecher.
Quelle: Financial Times Deutschland
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