Unternehmen wollen die örtlichen Vorschriften einhalten. Der Trend begünstigtVersicherer mit internationaler Präsenz
Herbert Fromme
Mehr als 20 Stunden brauchten die Feuerwehrleute, um den Brand zu löschen. Am Nachmittag des 22. Juni 2009 war in einer Fabrik der indischen Adidas-Niederlassung in Kherki Daula bei Gurgaon, rund 40 Kilometer südlich von Delhi, ein Lagerhaus in Brand geraten. Die dort gelagerten Kleidungsstücke und Chemierohstoffe für Deodorants sorgten für eine rasche Ausbreitung des Feuers. Am folgenden Morgen kollabierte das dreistöckige Gebäude nach der Explosion eines Chemikalienbehälters. Acht Feuerwehrleute wurden verletzt.
Der Schaden für Adidas war beträchtlich – Produktions- und Umsatzausfall, die Notwendigkeit von Ersatzlieferungen, Aufbau des zerstörten Gebäudes. Dass die Versicherer des Konzerns, geführt von Zurich mit Beteiligung der Allianz, insgesamt 31 Mio. Dollar zahlten, änderte nichts am Ärger, den das Feuer dem Management einbrachte.
Zwei Jahre später holte der Schaden den Konzern erneut ein. Das indische Finanzamt prüfte die Schadenzahlungen. Das Ergebnis: Die Muttergesellschaft Adidas AG hatte rund 20 Mio. Dollar erhalten, die indische Adidas India Marketing Pvt. 11 Mio. Dollar. „Das hat Adidas offenbar intern so geregelt, um Steuerzahlungen in Indien zu vermeiden“, zitiert das „Wall Street Journal“ einen Prüfbericht der indischen Steuerfahnder. Adidas-Indienchef Andreas Gellner sah das anders und versuchte, die Gemüter zu beruhigen. „Als verantwortungsbewusster internationaler Konzern hält sich Adidas an die rechtlichen Vorschriften“, sagte er. Das Finanzamt blieb hart – Adidas musste sich einem Steuerverfahren stellen, das immer noch läuft.
Der globale Sportartikelhersteller dürfte mit dem Problem nicht allein bleiben. Denn in zahlreichen Ländern suchen Finanzbehörden nach zusätzlichen Einnahmequellen für ihre Regierungen – und haben dabei die internationalen Versicherungsprogramme global agierender Konzerne ins Visier genommen.
Das Problem: Eine ganze Reihe von Ländern verlangt, dass die dortigen Risiken auch von örtlichen Versicherern abgedeckt werden. Dafür nennen die Regierungen oft aufsichtsrechtliche Überlegungen – sie wollen sichergehen, dass die Deckungen auch allen örtlichen Vorschriften entsprechen. Dazu kommt der finanzielle Aspekt: Auf die Prämie wird meistens Versicherungssteuer fällig.
Versichert ein deutscher Konzern seine Fabrik in Brasilien, Japan oder Indien hierzulande und nicht vor Ort, entgehen dem Land die Steuereinnahmen. Kein Wunder, dass die Behörden mehrerer Länder jetzt spezifische Prüfungen von internationalen Versicherungsprogrammen vornehmen. Ganz vorn dabei ist Österreich. Bei den Steuerprüfungen ist eine zentrale Frage, ob bei Verrechnungen zwischen Ober- und Untergesellschaft – gerade bei Versicherungen – auch tatsächlich Marktpreise verlangt wurden.
Große Konzerne bündeln ihre internationalen Versicherungsprogramme gerne in einer Hand. Bis vor wenigen Jahren war es üblich, dass innerhalb dieser Programme viele Risiken nur über die Muttergesellschaft versichert waren, nicht aber in den einzelnen Ländern der Töchter.
Das ist heute anders. „Für den Versicherungseinkäufer alter Prägung war der Preis das ausschlaggebende Kriterium“, sagt Dankwart von Schultzendorff, Deutschlandchef des Versicherers Ace. „Für den Risk-Manager ist heute die Compliance mit allen Vorschriften zu Steuern, Versicherungsgesetzen und Aufsichtsvorschriften entscheidend.“
Die Konzerne fürchten Strafverfahren und die damit einhergehenden Skandale. Sie können leicht dazu führen, dass ein Unternehmen von der Vergabe von Staatsaufträgen ausgeschlossen wird, ganz abgesehen von empfindlichen Geldstrafen. Ob Antikorruptionsmaßnahmen oder die Einhaltung von Versicherungsvorschriften – Konzernvorstände verstehen heute keinen Spaß mehr, wenn es um die strikte Einhaltung von örtlichen Gesetzen geht.
„Compliance ist ein sehr wichtiges Thema für unsere Mitglieder“, bestätigt Hans Jörg Schill, Versicherungs-chef des Frankfurter Flughafens und Vorsitzender des Bundesverbands firmenverbundener Versicherungsver mittler (BfV). In diesem Verband haben sich Makler- und Versicherungsfirmen zusammengeschlossen, die direkt zu einem Konzern gehören und trotz eigener Rechtsform vor allem als Abteilung für Risikomanagement und Versicherungseinkauf agieren.
Ace-Manager von Schultzendorff glaubt, dass sich bei den globalen Programmen künftig die Konkurrenz um die ganz großen Kunden abspielen wird. „Der Wettbewerb geht weg von der Preisseite hin zur Serviceseite“, sagt er. Dabei spiele die Compliance eine zentrale Rolle. „Das wird die Spreu vom Weizen trennen.“
Wolfgang Faden, Chef für Deutschland und Zentraleuropa beim Industrieversicherer Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS), sieht das ähnlich. „Wir haben definitiv einen Qualitätswettbewerb“, sagt Faden. „Für die Kunden ist eine zentrale Frage, wie der Versicherer ein Programm managt und den Kunden unterrichtet.“ Mit einem Griff müssten Einzelheiten über die Deckung einer bestimmten Sparte in einem bestimmten Land zur Verfügung stehen. Faden: „Wenn das dann erst eine Kette von Anfragen und Nachfragen vom Versicherer über Makler über örtlichen Versicherer gibt, die berühmten E-Mails mit 20 Weiterleitungen, dann kann der Kunde damit wenig anfangen.“ Stattdessen müssten sehr gute Berichtswerkzeuge vorliegen, die der Kunde leicht einsetzen kann.
Aber eine gute Berichtssoftware macht nur Sinn, wenn die Unternehmen ein eigenes Netz mit Töchtern oder Niederlassungen in den wichtigsten Märkten haben – oder sehr zuverlässige Partner. Kein Wunder, dass HDI-Gerling Industrie, in Deutschland einer der führenden beiden Anbieter, mit Macht in den internationalen Markt drängt und in zahlreichen Ländern Firmen und Anteile kauft oder Niederlassungen gründet – zuletzt in den Niederlanden, in Vietnam, in Lateinamerika, bald in Kanada, Singapur, Indien und der arabischen Halbinsel.
Denn bei den internationalen Netzen haben Zurich und AGCS die Nase vorn. Auch AIG/Chartis und Ace sind global gut aufgestellt. An ihnen muss sich HDI-Gerling Industrie messen lassen – ein Vergleich, den Vorstandschef Christian Hinsch nicht scheut. „Als ich 1984 hier anfing, gab es fünf Auslandseinheiten, heute sind es mehr als 35“, sagt Hinsch. In Europa habe der Konzern 19 Standorte. „Damit sind wir ganz vorn.“
Quelle: Financial Times Deutschland
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