Fast 80 Prozent der Verbraucher informieren sich online. Doch die Portalewerden unübersichtlicher
Das Internet ist aus dem Verkauf von Kfz-Policen nicht mehr wegzudenken. Doch viele Versicherer hadern noch mit diesem Vertriebsweg. Neue Vergleichsportale verschärfen den Onlinewettbewerb. Für konventionelle Vermittler ist das eine ernsthafte Bedrohung. „Das Internet ist ein gutes Informationsmedium, als Vertriebsweg liegt es noch im Promillebereich“, sagt Michael Heinz, Chef des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), mit demonstrativer Gelassenheit.
Eine härtere Konkurrenz als das Internet seien die Autohersteller mit ihren Versicherungsangeboten beim Neuwagenkauf, sagt Heinz. Allerdings gibt er zu: „Standardisierte Verträge können Verbraucher heute schon online abschließen. Für Vermittler lohnt sich so etwas auch kaum noch, das Brot-und-Butter-Geschäft können sie bald nicht mehr leisten.“ Dagegen sollten Vermittler das Internet auch für ihre Zwecke nutzen – und beispielsweise Adressen kaufen von potenziellen Kunden in ihrer Umgebung, die sich online für eine Versicherung interessiert haben.
Auch wer sich für den klassischen Vertragsabschluss beim Vermittler entscheidet, hat sich vorher oft schon im Internet über verschiedene Angebote informiert. Deshalb empfiehlt der Verband seinen Mitgliedern mittlerweile, gleich auf der eigenen Homepage Links zu Vergleichsrechnern für Versicherungsangebote zu installieren. „Das Internet gibt dem Kunden zumindest das Gefühl, seine Versicherung selbst konfigurieren zu können“, sagt Heinz. „Da kann er dann entscheiden, ob er den Fuchsschwanz mitversichern will, oder nicht.“
Bei einer Umfrage unter Kfz-Versicherten im Frühjahr dieses Jahres erklärten fast 80 Prozent, dass sie künftig keine Versicherung mehr abschließen werden, ohne sich vorher im Internet informiert zu haben. „Die Frage ist jetzt, wie gut Vermittler damit umgehen können“, sagt Natalie Kwiecien, Leiterin des Fachbereichs Studien beim Analysehaus Assekurata Solutions. Kwiecien hat die Umfrage verantwortet.
Während die Vermittler argwöhnen, dass die Internetnutzer es allein auf den günstigsten Preis abgesehen haben, haben die Marktforscher noch ein weiteres Kriterium identifiziert, nach dem sich die Kunden bei der Entscheidung für einen Versicherer richten: „Die Empfehlung von Freunden und Bekannten ist sehr wichtig. Sie ist eine starke Konkurrenz für den Preis“, erklärt Kwiecien. Wer aus dem Umfeld hört, wie problemlos es nach einem Schaden mit der Regulierung geklappt hat, schließt im Zweifel also auch einen Tarif dieses Versicherers ab, wenn er ein paar Euro teurer ist als Angebote der Konkurrenz.
Tücken des Online-VertriebsVersicherer müssten sich deshalb verstärkt um Kundenbindung und die Weiterempfehlungsbereitschaft ihrer Versicherten kümmern. Gemessen wird die Kundenbindung häufig in Form des sogenannten Net Promoter Score. „Um diese Zahl ist unter den Versicherern derzeit ein kleiner Kampf entbrannt“, sagt Kwiecien. Tendenziell habe die Studie gezeigt, dass Kunden, die ihren Abschluss online getätigt haben, eine geringere Loyalität zum Versicherer haben. „Aber wer online abschließt ist nicht bei nächster Gelegenheit gleich wieder weg.“ Auch hier könnten gute Erfahrungen, etwa in der Schadenabwicklung, den Kunden dazu bringen, den Versicherer weiter zu empfehlen.
Die Vermittler warnen derweil vor den Tücken des Internets. Im Bereich online abgeschlossener Verträge gibt es die meisten Reklamationen von Versicherungskunden, behauptet Chef-Lobbyist Heinz. Der Grund: Im Internet würden eben nicht alle Vertragsdetails so klar dargestellt wie beim Gespräch mit dem Makler oder Vertreter. Erst im Schadenfall merke der Versicherte dann, dass ihm ein wichtiger Baustein in der Deckung fehlt. „Viele kommen dann nach so einem Schaden wieder“, sagt Heinz. „Das ist aber nicht die Lösung. Der Versicherer muss die Symbiose schaffen und Synergieeffekte für alle herstellen.“
Die Versicherer versuchen derweil, Kontrolle über die Kfz-Angebote im Internet zu gewinnen. Im Sommer kauften sich Marktführer HUK-Coburg, Talanx und WGV bei Aspect Online ein und gingen dann mit dem neuen Vergleichsportal Transparo an den Start. Mit 2010 rund 450 000 vermittelten Verträgen ist Check24 mit Abstand Marktführer, abgeschlagener Zweiter ist Aspect Online mit 80 000 Verträgen. Nach einer Befragung des Leipziger Instituts für Versicherungswirtschaft erzielten die Portale im vergangenen Jahr einen Umsatz von fast 50 Mio. Euro. Für die nächsten drei Jahre wird ein Wachstum auf knapp 80 Mio. Euro und eine Million vermittelte Policen erwartet.
Die Geschäftsidee der Portale ist, dass sie eine Provision zwischen 60 und 100 Euro erhalten, wenn ein Nutzer über sie eine Autoversicherung abschließt. Je mehr Versicherer gelistet werden, desto besser für den Portalbetreiber, aber auch für den Kunden. Transparo unterläuft dieses Geschäftsmodell, weil es Versicherern gestattet, auch ohne Provisionszahlung teilzunehmen. Bei Check24 sind ebenso Anbieter gelistet, die nicht zahlen. „Wir zeigen alle 96 am Markt befindlichen Versicherer in unserem Vergleich an“, sagt Check24-Sprecher David Friedheim. Das sind 330 Tarife. Den Preis können Nutzer aber nur von 55 Anbietern sehen, bei den meisten auch direkt abschließen. Transparo hat mit 49 Anbietern eine Vertriebsvereinbarung.
Bei der R+V Versicherung seien Vergleichsportale mittlerweile zu einem „wichtigen Vertriebsweg“ für den Direktversicherer R24 geworden, sagt Sprecherin Rita Jakli. „Von dort kommen mehr als 50 Prozent der Abschlüsse.“ Seit R24 im Sommer 2008 an den Start ging, sei es gelungen, viele Kunden von anderen Direktversicherern abzuwerben. Tatsächlich schließt bislang erst eine Minderheit der Nutzer von Vergleichsportalen ihre Police auch direkt dort ab. Nach der Umfrage von Assekurata Solutions haben 20 Prozent der Kunden von Direktversicherern das Portal genutzt, dagegen gingen mehr als 50 Prozent für den Vertragsabschluss auf die Homepage des jeweiligen Versicherers. „Das ist die Herausforderung, die Kunden auf die eigene Internetseite zu locken“, sagt Kwiecien.
Für Verbraucher ist entscheidend, dass sie in einem Portal möglichst viele Tarife abrufen können. Hier wird die Lage zunehmend unübersichtlicher. Branchenriese Allianz ist bei Transparo ausgestiegen, die HUK-Coburg bei Check24. Eine ganze Reihe von Versicherern sind nur bei einem der Portale. Manche lassen dort auch nicht alle Tarife listen.
Katrin Berkenkopf und Anja Krüger
Quelle: Financial Times Deutschland
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